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Rekrutierung Hauptmann Szokolls

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„Er fragte mich schließlich, wie ich denn zu dem gegenwärtigen Posten gekommen sei. Ich erzählte ihm, daß ich ursprünglich bei den Panzern gewesen, jedoch von dort weggekommen sei. ,Warum das?” fragte er. Weil man erfahren hatte, daß meine Verlobte Mischling und daß ihr Vater, Dr. Kukulą (dem ich meine erste politische Erziehung verdanke), mit Carl Ossietzky, dem im KZ umgekommenen Herausgeber der ,Weltbühne’, in Verbindung gestanden ist. Darauf schnappte Bernardis sofort ein. Er erklärte mir, daß Kräfte im Gange seien, die auf eine Neugestaltung der Dinge hinarbeiteten. Er würde mich bei der nächsten Gelegenheit nach Berlin kommen lassen und mit Stauffenberg bekannt machen. Als ich dann wirklich nach Berlin vor Stauffenberg kam, fragte er mich sofort und ohne Umschweife, ob ich bereit sei, mitzumachen. Ich sagte ,ja’. Darauf sagte er: ,Sie sind also unser Mann und werden es in Österreich machen. Und möglicherweise früher, als Ihnen lieb sein dürfte. Durch die mögliche Überführung der Volksgrenadierdivisionen in die SS ist eine Zwangslage entstanden. Es würde sich dadurch das Schwergewicht auf die Gegenseite verlagern. Deshalb wird man früher, als man glaubt und als es der Stand der Vorbereitungen zuläßt, handeln müssen.

Acht bis zehn Tage vor dem 20. Juli rief mich Bernardis aus Berlin an und fragte, wie weit ich sei. Ich sagte: ,Ich bin fertig.

Es ist verständlich, daß in den bisherigen Publikationen so wenig über Bernardis’ Anteil am 20. Juli geschrieben worden ist. Zum Unterschied von den deutschen Teilnehmern war er als Österreicher von Verwandten und Freunden weit entfernt, die im Fall der Deutschen viel über die Aktionen der ihnen Nahestehenden erfuhren. So stammt das meiste, das wir über Bernardis’ Verhalten vor, am und nach dem 20. Juli wissen, mit wenigen Ausnahmen aus dem Protokoll der Gerichtsverhandlung.

Trotz besonders arger Rückfälle von Bernardis’ Zwölffingerdarmgeschwür just in jenen Tagen (er wand sich vor und am 20. Juli lange Stunden auf seiner Bürocouch in Krämpfen und Schmerzen) führte er, laut im Verhandlungsprotokoll vermerktem eigenem Geständnis, einen großen Teil der telephonischen Benachrichtigungen zur Auslösung von „Walküre” selber durch. Er gestand weiter, daß der Graf Marogna- Redwitz unter seinem Befehl gestanden sei und daß er ihn am 19. Juli nach Wien entsandt habe. Das bedeutet — angesichts der wichtigen politischen Agenden Marognas in dieser Sache in Österreich —, daß Bernardis weit mehr an der Sache beteiligt gewesen sein mußte, als den konnte. Bernardis hat sich bemüht, beim Prozeß seinen Untergebenen, den Major Hayessen, den er, am 15. Juli zur Vorbereitung der Aktion in die Berliner Stadtkommandantur entsandt hatte, zu entlasten.

Eine Bürosekretärin berichtete in einem Brief an Bernardis’ Witwe über die letzten Augenblicke in der Bendlerstraße nach dem Mißlingen der Aktion unter anderem: „ … Eigene Kameraden nahmen die Verschwörer fest und entwaffneten sie. Bernardis hatte sich auf sein Zimmer begeben und seinen Revolver zu sich gesteckt. Er war am Zusammenbrechen. Sein schweres Magenleiden machte ihm durch die Aufregungen ganz besonders zu schaffen. Ihm wurde übel. Seine Kameraden aber schrien durch den Flur: ,Wo ist Bernardis? Her mit Bernardis! Er gehört auch zu den Verrätern!” Man fand ihn auf seinem Zimmer und schleppte ihn zu den anderen, die auf ihre Abführung warteten…”

Eberhard Zeller klagt in seinem bemerkenswerten, gewissenhaft dokumentierten Buch „Der Geist der Freiheit” Bernardis’ alten Kameraden, den Österreicher Pridun, an, sich unter einer dieser Gruppen befunden zu haben. In der Tat wurde Pridun nach dem 20. Juli zum Obersten und auch in der Hierarchie des A. H. A. befördert, obwohl dieses unter die Befehlsgewalt Himmlers gestellt worden war. Anfragen des Verfassers des vorliegenden Artikels hat der jetzige Generalsekretär der 111- Kraftwerke, Karl Pridun, damit beantwortet: „Der Kontakt mit ihm (Bernardis) blieb aber auf gelegentliche dienstliche Kontakte beschränkt. Über seine Tätigkeit am 20. Juli 1944 kann ich nichts berichten …”

Im Bericht der Sekretärin steht weiter: „Gegen 22.30 Uhr rückte der Sicherheitsdienst an (unter der Führung des geborenen Österreichers Skorzeny), um die ersten Einvernahmen durchzuführen und die Verhafteten wegzubringen.

Tolpsur’fgilęs JSieses erfuhr Be’r-, nardis an seinem 36. Geburtstag (dem 8. August). Eine Bitte war diesen Männern noch gewährt, und Bernardis bat um die Kugel. Sie blieb ihm versagt. Wie ich hörte, hat er sich während der ganzen Vernehmungen gut gehalten. Seine Haltung war _ aufrecht und gerade, wie auch stets seine Gesinnung war… Den letzten Gang, den Bernardis antreten mußte, will Kommissar Gröger miterlebt haben, wie er mir selber bei meinen Vernehmungen erzählte. Er sprach von den ,gebaumelten Schweinen”, und von Bernardis erzählte er im einzelnen:

. ,Bernardis war mir sympathisch. Ich habe ihm öfters mal eine Zigarette zugesteckt.” Die Hinrichtung erfolgte am 8. August. Vorher mußten die Verurteilten ihre Zivilkleider ablegen und (gestreifte) Zuchthauskleidung anziehen. Bernardis sagte zu Grpger: ,Nun bin ich am Ende doch noch zu Generalsstreifen gekommen! Gröger, nach meinem Tod werde ich Ihnen als Engel erscheinen.” Er trat mit zum Himmel gerichtetem Blick an den eisernen Haken heran, der, von der Decke baumelnd, als Galgen diente…”

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