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Student und SA-Mann

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Nach der Matura, 1927, begann er in München Germanistik, Anglistik und Kunstgeschichte zu studieren. Er wurde Münchner Hochschul- gruppenführer des Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbundes und geriet bald in den Kreis um Hitler, der ihn 1928 — Schirach war gerade 21 Jahre alt — zum Reichsführer des NSDStB und Schriftleiter des „Akademischen Beobachters“ ernannte. Gleichzeitig wurde er SA-Truppführer des Münchner Sturms 1.

Im November 1931 ernannte ihn Hitler zum Reichsjugendführer. Somit hatte Schirach schon mit 24 Jahren die Position erreicht, die für seine spätere Macht entscheidend war, obwohl er anfangs nicht besonders tüchtig war. Denn organisatorisches Talent besaß er, der noch im selben Jahr im Führer-Fragebogen der Obersten SA-Führung als Beruf „Schriftsteller“ angab, nicht. Bis vor der Machtergreifung 1933 sammelte er in der HJ nur knapp mehr als 100.000 Mitglieder, wohingegen rund zehn Millionen Jugendliche in anderen Verbänden organisiert waren.

Mehr Geschick zeigte Schirach in den innerparteilichen Machtkämpfen. Er unterstellte 1932 seine Hitlerjugend einem gewissen Inspektionsrecht der obersten SA-Füh- rung und wurde dafür von Rohm in den Stab des obersten SA-Füh- rers aufgenommen. Trotzdem gelang es ihm, sich aus den weiteren

Machtkämpfen, die am 30. Juni 1934 in der Ermordung Röhms ihren makabren Höhepunkt fanden, herauszuhalten. Schirachs Position innerhalb der Parteihierarchie wurde außerdem noch gefestigt, als er Jenny, die Tochter des „Führerphotographen“ Heinrich Hoffmann, heiratete.

Der lyrische Reichsjugendführer

Nach der Machtergreifung wurde Schirach im Range eines Staats sekretärs zum Jugendführer des Deutschen Reiches ernannt. Er wußte, daß er von organisatorischen Problemen recht wenig verstand und überließ diese Aufgabe lieber seinen Mitarbeitern. Nun gelang es, bis Ende 1938 fast acht Millionen Jugendliche in die HJ hineinzutrommeln.

Schirach selbst schrieb lieber Ge dichte und HJ-Liedertexte und versuchte, eine eigene Außenpolitik via HJ zu betreiben. Seine Situation war seltsam: Er war doch eigentlich ein Intellektueller, der bei den HJ-Aufmärschen aber den Pimpfen stramme Haltung zeigen und kernige Phrasen entgegenbrüllen mußte. Wochenschauaufnahmen aus dieser Zeit zeigen, wie er — der ohnehin kein guter Stegreifredner war — dabei ziemlich unbeholfene Figur machte.

Schon besser ging es, wenn er eine vorbereitete Rede ablesen konnte: Da verlegte er sich auf Themen wie „Freude am Buch“, „Goethe in unserer Zeit“, „Die Jugend im Theater“ oder „Vom musischen Menschen“. In solchen Reden konnte er wenigstens mit seiner Belesenheit auftrumpfen. Dennoch durfte er nicht vergessen, daß er zu Kindern und Jugendlichen sprach, die er in der nationalsozialistischen Gedankenwelt erziehen sollte und wollte.

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