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Autonome Kreislaufregulation

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Es ist erwiesen, daß beim gesunden Menschen das Blut dorthin fließt, wo es gebraucht wird. In Ruhe kreist nur ein Teil der gesamten Blutmenge im Organismus, ein Teil des Blutvolumens befindet sich in Depots, zum Beispiel in der Milz; in Tätigkeit werden die Blutdepots entleert; die gesteigerte Herztätigkeit führt zu einer vermehrten Zirkulation, auch das Gefäßsystem paßt sich den Gegebenheiten an, indem sich die Ringmuskulatur der Gefäße kontrahiert oder erweitert. Dies ist der Fall, wenn ein Organ oder Organsystem (Muskel, Eingeweide) bei seiner Tätigkeit mit mehr Blut versorgt werden soll, beispielsweise kommt es zu einer Weitstellung der Muskelgefäße bei körperlicher Arbeit. Aber nicht nur den funktionellen Beanspruchungen des Organismus sollen verschiedene Regulationen Rechnung tragen; auch emotionelle Reize, Schreck etwa, führen zu einer Anpassung der Zirkulationstätigkeit an die Alarmsituation: die Herzaktion wird beschleunigt („Herzklopfen“), die Gefäße werden kontrahiert (daher die Blässe). Größtenteils geschieht die Vermittlung der Regulationen unbewußt über das vegetative (autonome) Nervensystem auf reflektorischem Weg. Die autonomen Kreislaufreflexe und Regulationsmechanismen sind zum Teil näher erforscht.

Im Verlauf der Halsschlagader — im söge-: nannten Carotissinus — befindet sich ein Rezeptorenzentrum, das heißt ein Aufnahmeorgan für bestimmte Veränderungen, das der Ueberwachung der Zirkulationstätigkeit dient. Genauer sind es zwei Systeme, die dort lokalisiert sind, und zwar Chemorezeptoren, das sind Zellen, die durch Veränderung dės Sauerstoff- und Kohlensäuregehaltes des Blutes erregt werden, und Pressorezeptoren — hiėr ist der Reiz die Veränderung im Blutdruck, das heißt Dehnung der Gefäßwand, die zur Erregung führen. Diese beiden Rezeptorenfelder stehen mit dem Atem- und Vasomotorenzentrum im verlängerten Rückenmark in Verbindung. Von dort kommt es wieder über das vegetative System zu einer Hemmung oder Beschleunigung der Herztätigkeit, zu Veränderungen im Spannungszustand der Gefäßmuskulatur, allenfalls zu einer Entleerung der Blutdepots und zu einer Beeinflussung der Atmung. Sinkt nun aus irgendeiner Ursache der Blutdruck, kommt es durch Reizung des Rezeptorenfeldes über das Vasomotorenzentrum zu einer Verengung der Gefäße; die Strombahn des zirkulierenden Blutes wird verkürzt, eventuell noch die Herzaktion beschleunigt, und auf diese Weise wird der Blutdruck wieder erhöht. Umgekehrt wird bei erhöhtem Druck im Carotissinus die Herztätigkeit verlangsamt, der Gefäßapparat wird erweitert und somit der Blutdruck gesenkt. Im wesentlichen entfällt auf die Chemorezeptoren der hypertensive, auf die Pressorezeptoren der drucksenkende Regulationsanteil. Zugleich wird durch Verminderung des Sauerstoffanteils oder Vermehrung des Kohlensäuregehaltes des Blutes über die Chemorezeptoren die Atemtätigkeit angeregt. Bei pharmakologischer Reizung im Experiment zeigt sich außerdem noch, daß der Carotissinus in weit' höherem Maß erregbar ist als die Zentren im verlängerten Mark.

Eine weitere bedeutsame Regulation im Kreislaufgeschehen vermittelt der sogenannte Bainbridge-Reflex. Dabei kommt es zu einer Beschleunigung der Herztätigkeit und Erhöhung des Blutdruckes, auch zu einer rascheren Atmung, wenn dem Herzen mehr venöses Blut zufließt. In den herznahen venösen Gefäßen sowie im rechten Vorhof befinden sich Dehnung- und Pressorezeptoren, die bei erhöhtem Blutangebot aus dem Körperkreislauf diesen Reflex auslösen. Das aus dem großen Kreislauf kommende, venöse Blut soll ja möglichst bald von den Endprodukten des Stoffwechsels befreit werden, also rasch in der Lunge Kohlensäure abgeben und Sauerstoff aufnehmen. Außerdem droht eine Stauung im Kreislauf, wenn „Angebot und Nachfrage“ gestört werden. Mittels dieses Reflexes kann das Herz die erhöhten Anforderungen bewältigen, indem seine Aktion beschleunigt wird.

Bei beiden Regulationen zeigt sich, daß immer eine Beeinflussung der Zirkulation mit Veränderungen der Atemtätigkeit einhergeht. Dies ist erforderlich, um den gesteigerten Gasaustausch zu ermöglichen, wenn bei erhöhter Kreislauftätigkeit auch mehr venöses (CO2 beladenes) Blut zur Lunge kommt. Im Wechselspiel der Regulationen haben auch Chemorezeptoren eine blutdrückerhöhende Wirkung.

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