Ein Radstar stürzt über eine Doping-Kontrolle

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Die Überraschung war groß, als ein Niederösterreicher diesen Sommer bei der Tour de France so richtig vorne mitfuhr. „Ich liebe die Berge, Skitouren sind mein kleines Erfolgsgeheimnis. Ich mache im Winter rund 40 Touren“, erklärte Bernhard Kohl den Sportjournalisten das Phänomen Bernhard Kohl. Am Ende der Tour war der für das Team Gerolsteiner fahrende Profi der Gewinner des Bergtrikots und Gesamtdritter. „Kohl verbinden nun weniger Leute mit einer Gemüsesorte“, titelten die NÖ-Nachrichten und ein ganzes Land feierte den kometenhaften Aufstieg des neuen heimischen Radstars. Der gelernte Rauchfangkehrer hatte sich in die Annalen der Radsport-Geschichte gefahren – und in die Herzen vieler Österreicher. Wie hatte er gekämpft auf dieser selbst für Profis äußerst kräftezehrenden Gewaltstour: Drei Wochen lang über 3550 Kilometer! Viele Zuschauer, die das Rennen an den Bildschirmen mitverfolgten, bewunderten wohl auch die Zähigkeit dieses Fahrers, der sich das Letzte abverlangte. Nach der legendären wie brutalen Bergetappe auf die L’Alpe d’Huez etwa vermeldete die APA: „Im Ziel lag der 26-jährige Gerolsteiner-Profi völlig erschöpft auf dem Boden, vermochte kaum einen Fuß auf den anderen zu setzen.“

Favorit für Sportler des Jahres

Lediglich Radsport-kritischen Geistern mag damals schon seltsam vorgekommen sein, dass viele der Spitzensportler am Ende einer Strecke regelmäßig zusammenbrachen. Denn diese Kritiker wussten: Wer quasi ohnmächtig ist, braucht nicht sofort eine Urinprobe abgeben. Er darf sich erholen, kann viel, sehr viel Wasser trinken – und so seinen Hämatokrit-Wert unter das legale Limit von 52 Prozent drücken. Wolfgang Schobersberger, Medizinprofessor von der Privatuniversität UMIT in Hall in Tirol meinte dazu: „Wer einen Liter isotonische Flüssigkeit trinkt, kann in einer Stunde den Hämatokrit-Wert um bis zu acht Prozent senken.“ (siehe Furche-Fokus 31/08). Tatsächlich war bereits zu Beginn des Rennens bei zwanzig (!) Fahrern ein auffälliger Hämatokrit-Wert festgestellt worden (dass Kohl einer dieser zwanzig war, wurde erst diese Woche bekannt). Sie galten damit als verdächtig und mussten jederzeit mit einer Kontrolle rechnen. Bei der Einfahrt in Paris hatten die Dopingfahnder schließlich vier Fahrern Doping nachgewiesen. Für ein relatives Aufsehen sorgte der Fall von Riccardo Ricco, der um den Sieg mitfuhr, als bekannt wurde, dass er Epo nahm. Ansonsten glaubten wohl viele, dass der Radsport wieder sauberer geworden sei und dass die wenigen schwarzen Schafe – dank strengerer Kontrollen – auch gefasst würden.

Offensichtlich war diese Einschätzung falsch. Am Montag wurde bekannt, dass die A-Probe von drei weiteren Profis positiv ist. Eine stammt von Kohl. Eigentlich galt er nach seinem Tour-Triumph als großer Favorit für die Wahl zu Österreichs Sportler des Jahres. Während der Tour auf die Dopingproblematik angesprochen, meinte er damals: „Ich versuche, diese Problematik wegzuschalten und mich nur auf das Sportliche zu konzentrieren.“ Diese, seine alte Strategie hat ihm nicht mehr helfen können. Zunächst wollte er noch das Resultat der B-Probe abwarten. Völlig überraschend und unter Tränen gestand er nun bereits am Mittwochabend, dass er mit Cera – einer neuen Epo-Variante – gedopt hatte. Jetzt droht ihm eine zweijährige Sperre. Danach ein Team zu finden, wäre sehr schwierig, meinte zumindest sein ehemaliger Teamchef Hans-Michael Holczer: „Ich denke, für ihn ist es vorbei.“

„Eigentlich galt er nach seinem Tour-Triumph als großer Favorit für die Wahl zu Österreichs Sportler des Jahres.“

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