Gesundheitliche Chancengleichheit für alle

Werbung
Werbung
Werbung

Das Leben ist ungerecht: Laut einer britischen Kohortenstudie überflügeln Kinder aus Familien mit hohem sozioökonomischen Status spätestens mit 78 Monaten jene aus Familien mit niedrigem Status - selbst wenn sie über schwächere kognitive Leistungen verfügen. Auch das Risiko für psychische Auffälligkeit ist laut einer Mannheimer Längsschnittstudie ungerecht verteilt: Sind Kinder von keinen Risikofaktoren betroffen (wie Armut, niedriger Bildungsstand der Eltern, geringe Wohnfläche, belastete Partnerschaft, sehr frühe oder späte Schwangerschaft, psychische Krankheiten oder Gewalt in der Familie), werden sie als Erwachsene nur zu 12,4 Prozent psychisch auffällig; treten mehr als sechs Risikofaktoren auf, sind es 61,5 Prozent.

In der frühen Kindheit werden demnach die Weichen für das ganze Leben gestellt. Entsprechend lohnend sind "Frühe Hilfen", also umfassende Unterstützungskonzepte für ressourcenschwache Jungfamilien. Auf Basis von Erfahrungen aus Deutschland und des Vorarlberger Modellprojekts "Netzwerk Familie" wurde nun im Auftrag des Gesundheitsministeriums ein "Idealmodell" für Österreich entwickelt (www.fruehehilfen.at), dessen Umsetzung vom "Nationalen Zentrum Frühe Hilfen" begleitet werden soll.

Salzburger Fokus auf "Early Life Care"

Aktuellster Baustein ist der europaweit einzigartige Universitätslehrgang "Early Life Care", der ab Herbst 2015 in Salzburg bzw. Wien startet: In diesem interdisziplinären Weiterbildungsangebot der Salzburger Paracelsus-Universität und des Bildungshauses St. Virgil können Angehörige von Berufsgruppen, die mit Schwangerschaft, Geburt und dem ersten Lebensjahr eines Kindes zu tun haben, berufsbegleitend das nötige Rüstzeug -u nd in sieben Semestern auch den Mastertitel - erwerben.

Zusätzlich wird an der Paracelsus-Uni auch ein Forschungsinstitut für den Bereich "Early Life Care" eingerichtet, das der deutsche Bindungsforscher Karl Heinz Brisch leitet. "Die Schwangerschaft und die ersten drei Lebensjahre sind entscheidend dafür, wie sich die Nervenzellen eines Kindes vernetzen", weiß Brisch. "Das später zu verändern, geht zwar mit Hilfe von Psychotherapie, aber es ist viel schwieriger." Auch Klaus Vavrik, Präsident der Österreichischen Liga für Kinder- und Jugendgesundheit, betont die Nachhaltigkeit von Investitionen in die frühe Kindheit: Der "social return of investment" betrage hier 1:18 -jeder ausgegebene Euro komme 18-fach zurück. Um gesundheitliche Chancengleichheit herzustellen, müssten die "Frühen Hilfen" in die Regelversorgung überführt werden. Umso mehr kritisiert er die angedachte Schließung der "Schreiambulanz" im Wiener Wilhelminenspital. Auch die Reproduktionsmedizin würde durch mehr Frühgeburten und Mehrlinge den Bedarf an Frühen Hilfen erhöhen: Die Chance, hier im Sinne des Kindeswohls regulierend einzugreifen, habe man beim neuen Fortpflanzungsmedizingesetz verpasst. (dh)

Nähere Infos unter www.earlylifecare.at

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung