Pipeline als eurasischer Zankapfel

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Eigentlich hatte sich die bulgarische Regierung ganz große Hoffnungen gemacht: Von 5000 neuen Arbeitsplätzen war die Rede und von einer Diversifizierung der Energie-Transportwege nach Europa. Wer sollte dagegen schon etwas haben? Ja, wer? Am Montag wusste es die Regierung in Sofia sehr genau: Die EU-Kommission hat gegen Bulgarien ein Vertragsverletzungsverfahren zu dem Erdgaspipeline-Projekt "South Stream" eingeleitet. Grund dafür sei die Tatsache, dass die öffentlichen Aufträge für "South Stream" intransparent und hauptsächlich an die russisch-bulgarische "South-Stream-Bulgarien AG" gegangen waren. Es stehe im Widerspruch zu den Anforderungen für fairen Wettbewerb.

Über South Stream sollte russisches Erdgas durch das Schwarze Meer nach Zentraleuropa gelangen, somit die Ukraine als Transitland umgangen werden und die Lieferungen garantiert werden. Bulgarien zählt zu den Ländern, die am meisten den kalten Winter im Jahr 2009 durchleiden musste, als die Ukraine den Gashahn zudrehte.

Doch sowohl das Projekt als auch die Haltung Sofias stellen sich gegen die neue EU-Energiepolitik, die vom Bürgerkrieg in der Ukraine geprägt ist.

Zwar wurde die erste Runde der EU-Sanktionen gegen Russland von Sofia noch mitgetragen, doch mit der Verschärfung des Ukraine-Konflikts stellte sich Bulgarien praktisch auf die russische Seite. "Sofia hat Brüssel den Mittelfinger gezeigt", meint wenig diplomatisch ein EU-Diplomat in Sofia.

Kollateralschäden der Ukrainekrise

Beispielsweise änderte das Parlament in Sofia unter Druck des russischen Energiekonzerns Gazprom das "South Stream"-Gesetz so, dass es einen Teil des Meeresbodens als exterritorial und somit dem EU-Bereich nicht angehörend definierte. Experten wie etwa Krassen Stantschev, Wirtschaftsdozent und einer der Mitbegründer der sogenannten "Initiative für Erhaltung der bulgarischen Energiewirtschaft", sahen das als Versuch, die Monopollage Gazproms zu betonieren. Man gehe kaum fehl in der Annahme, dass die Pipeline eine Folge enger oligarchischer Verknüpfungen sei.

"'South Stream'" war schon immer ein geopolitisches Instrument Russlands", sagt der ehemalige Wirtschafts,-und Energieminister Trajtscho Trajkov. "Der Zugewinn an Energiesicherheit für Transitländer wie Bulgarien wäre eher gering, es sei denn über die Leitung würde auch Gas anderer Lieferanten transportiert -oder aber die Transitgebühren wären gut ausverhandelt. Im Moment sind jedoch beide Bedingungen unrealisierbar. Die eine wegen der hartnäckigen Weigerung Gazproms, die EU-Gesetzgebung zu berücksichtigen. Die andere wegen dem Unvermögen und der mangelnden Motivation der bulgarischen Unterhändler, im Interesse Bulgariens und somit der EU zu handeln."

Das "unaufhaltsame" Projekt

Durch den "South-Stream"-Stopp zeigt nun Brüssel Moskau, dass es sich das Spiel mit der Energie nicht gefallen lassen will. Schließlich hatte Gazprom-Chef Alexej Miller demonstrativ bekannt gegeben, sich durch nichts aufhalten zu lassen. Doch die Retourkutsche aus Brüssel kam prompt: "Wir werden die Gespräche weiterführen, wenn die russischen Partner sich wieder an internationales Recht halten und sie für konstruktive Gespräche auf der Grundlage unserer Energiegesetze bereit sind," erklärte EU-Energiekommissar Günther Oettinger. Die Komplikationen um "South Stream" sollen Moskau bewegen, die Regierung in Kiew anzuerkennen und sich an internationales Recht zu halten.

Die Entscheidung der Kommission dürfte die bulgarische Regierung schwer treffen. Das Kabinett steht ohnehin schon unter großem politischen Druck nach einer herben Niederlage bei den Europawahlen. Ministerpräsident Plamen Orescharski dürfte bald das Nächstliegende tun: Die Regierung umbilden und auf bessere Zeiten warten.

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