Grandios, lebendig und detailgenau

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"Julius II. war von den Arbeiten Raffaels so begeistert, dass er die Fresken anderer vorerst Beauftragter wieder abschlagen ließ und Raffael die gesamte Ausführung der Stanzen übertrug."

Deo ludens

Seine gesamte Schaffenszeit hindurch beschäftigt Raffael das Thema der Muttergottes mit dem göttlichen Kind, das selbstvergessen spielt. Li.: Madonnenstudien, Mitte: "Maria mit dem Kind", re.: "Die Madonna mit dem Granatapfel".

Genese

Die Albertina zeigt Werke aus allen Schaffensphasen, darunter "Der bethlehemitische Kindermord", entstanden circa 1505-1510.

Wer kennt das nicht: Man steht vor einem Werk des Renaissance-Künstlers Raffael und ist sprachlos - sprachlos ob der Exaktheit, der Figurenkomposition, der Lebendigkeit des Dargestellten, der grandiosen Raumauffassung, der Natürlichkeit, der Detailgenauigkeit - hier könnte man noch lange fortsetzen. Doch wie gelang es Raffael, diese starke Wirkung seiner Arbeiten zu erzielen? Die Albertina-Ausstellung kann als Spurensuche betrachtet werden, da sie jeden einzelnen Arbeitsschritt des Genies nachvollzieht - und dies anhand zahlreicher Gemälde und Zeichnungen, teils aus dem eigenen Bestand, teils als Leihgaben aus den Uffizien, der Royal Collection der britischen Königin, dem British Museum, dem Louvre, den Vatikanischen Museen und dem Ashmolean Museum in Oxford, das über die größte und repräsentativste Sammlung an Zeichnungen Raffaels verfügt.

"Unsere Idee ist es, den Entstehungsprozess nachvollziehbar zu machen", beschreibt Kurator Achim Gnann der FURCHE. Zwar sind unter den rund 130 Zeichnungen und 18 Gemälden einige finale Fassungen, vor allem aber zeigt man vom Primo Pensiero - vom ersten Gedanken -bis zur Fertigstellung viele Stadien der Entwicklung.

"Meist steht am Anfang eine flüchtige Skizze, dann weitere zu einzelnen Figuren und Gruppen, die Raffael später im Gesamtentwurf zusammenfügt und im Aktstudium an Modellen perfektioniert", so Gnann. Es folgen abermals Zeichnungen zum genaueren Studium von Raumauffassung und Figurenkomposition, dann der "Modello", der auch dem Auftraggeber vorgelegt und schließlich auf den Karton übertragen wird. Dieser wird perforiert, also fein durchlöchert, und mit Kohlenstaub durchklopft oder aber mit Griffel oder Messer nachgefahren, um das Gezeichnete zu übertragen.

Intensive, akribische Vorbereitung

Trotz der Fülle an Vorarbeiten waren Raffaels Arbeiten immer streng zweckgebunden: "Raffael hat nichts gezeichnet, das keinen Verwendungszweck hatte", sagt Gnann. "Beeindruckend ist, wie ihn von Anfang an, auch wenn nur ein paar Striche vorhanden sind, das emotionale Verhältnis und der Ausdruck der Figuren interessieren. Es ist auch charakteristisch für ihn, dass er anfangs extrem ökonomisch zeichnet, mit wenigen Mitteln und Linien, die Tiefe seiner Charaktere aber immer da ist."

Der Parcours durch Raffaels Schaffen lässt beispielsweise im Detail beobachten, wie er an Aktmodellen oder Modellen studierte, wie ein bestimmter Muskel sich bei einer Bewegung zusammenzieht, selbst, wenn dieser dann im fertigen Gemälde vom Gewand verdeckt ist. Hier wurden buchstäblich Gewänder hochgerollt -und später wieder hinunter -um einen besonders wahrheitsgetreuen Eindruck zu erzeugen. "Bei Raffael sieht alles so spielerisch aus, aber all die Vorarbeiten zeigen, dass es intensiver, akribischer Vorbereitung bedurfte und dass er sich immer wieder selbst hinterfragte -und dadurch oft noch mehr Dynamik hineinbrachte", sagt Gnann. Der Kurator interessierte sich in seiner Vorbereitung auch sehr dafür, wann Raffael Feder, Kreide und Kohle, wann Metall-und Silberstift verwendete.

Zu der Stanza della Segnatura, die Papst Julius II. für das oberste Stockwerk seines Palastes in Auftrag gab, zeigt die Albertina-Ausstellung zahlreiche Vorarbeiten. "Allein zur Disputa haben wir 40, und wahrscheinlich gab es noch viel mehr. Man muss davon ausgehen, dass er alle Stanzen sehr sorgfältig vorbereitet hat", sagt Gnann. Detail am Rande: Julius II. war von den Arbeiten Raffaels so begeistert, dass er die Fresken anderer vorerst Beauftragter wieder abschlagen ließ und Raffael die gesamte Ausführung der Stanzen übertrug.

Gnann plädiert nicht nur, was die Vorarbeiten betrifft, für ein genaues Studium der Arbeiten Raffaels: "Auch bei den Madonnen-Gemälden gilt: Man muss sich damit befassen, dann haut einen das harmonische Ganze glatt um. Das Besondere an Raffael war, dass er die ganze Tiefe der Menschlichkeit auslotete und dass er eine grandiose Raumauffassung umsetzte, die ihresgleichen sucht." Möglicherweise lässt der Besuch der Ausstellung den Betrachter ein wenig besser verstehen, warum das Werk Raffaels so unglaublich beeindruckt -die Schau selbst tut es auch.

Raffael bis 7. Jänner 2018, Albertina, Wien tägl. 10-18 Uhr, Mi und Fr. bis 21 Uhr www.albertina.at

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