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Wunder der „Schwarzen Kunst"

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Kostbares Blumen- und Blattwerk rankt an den verschnörkelten Initialen empor, Fabelgetier stelzt die reichverzierten Randleisten der Pergamentseiten entlang. Eine anmutige Judith, mit der Linken des Holofernes Haupt am Schopf fassend, in der Rechten das Krummschwert schwingend, schreitet durch die paradiesische Flora der ersten gedruckten deutschen Bibel: Johann Mentelin schuf sie um 1466 in Straßburg. Für Erzherzog Sigismund von Tirol, nimmt man an. Nicht weit davon fügen sich Planetenbilder, Musenporträts, vier Elemente und Apollon Musagetos zum Abbild des kosmischen Gebäudes, das aus den Kirchentonarten seine Harmonie erhält. Meister Franchino Gafuri hat die kostbare Widmungshandschrift „De Harmonia musicorum instrumentorum“, eines der wichtigsten Musiklehrbücher, 1507 abgeschlossen und dem Schatzmeister des Königs von Frankreich gewidmet.

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Kostbares Blumen- und Blattwerk rankt an den verschnörkelten Initialen empor, Fabelgetier stelzt die reichverzierten Randleisten der Pergamentseiten entlang. Eine anmutige Judith, mit der Linken des Holofernes Haupt am Schopf fassend, in der Rechten das Krummschwert schwingend, schreitet durch die paradiesische Flora der ersten gedruckten deutschen Bibel: Johann Mentelin schuf sie um 1466 in Straßburg. Für Erzherzog Sigismund von Tirol, nimmt man an. Nicht weit davon fügen sich Planetenbilder, Musenporträts, vier Elemente und Apollon Musagetos zum Abbild des kosmischen Gebäudes, das aus den Kirchentonarten seine Harmonie erhält. Meister Franchino Gafuri hat die kostbare Widmungshandschrift „De Harmonia musicorum instrumentorum“, eines der wichtigsten Musiklehrbücher, 1507 abgeschlossen und dem Schatzmeister des Königs von Frankreich gewidmet.

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Im Zentrum der Sammlung von Rarissima steht das Evangeliar des Johannes von Troppau, 1368 für Albrecht III. von Österreich geschaffen. Goldene Buchstaben und pre- ziöse Miniaturen machen es zum Wunderwerk, dem Friedrich III. die vollendete spätgotische Fassung gab: einen Einband mit vergoldetem Silberschmuck.

Doch auch Wien steht in der „Schwarzen Kunst“, der Kunst des Buchdrucks, aber auch in der Buch- illustration kaum nach. Die Schau im Prunksaal der Nationalbibliothek, eine Prachtsammlung von Handschriften, Blockbüchern, Inkunabeln aus allen Ländern Europas, ausschließlich aus Eigenbeständen arrangiert, dokumentiert dies. Wohl sind die Anfänge der Geschichte des Buchdrucks in Wien nicht geklärt, doch bezeugen elegante kleine Publikationen reges literarisches Leben: Johann Winterburger schuf die wichtigsten liturgischen Drucke, Publikationen zur Heiligsprechung des Markgrafen Leopold (1485), Heil- tumsbücher, das umfangreiche Werk des Conrad Celtis usw.

Johannes Gutenberg selbst, zu dessen 500. Todestag die Objekte bis Mitte Oktober gezeigt werden, ist mit seiner 42zeiligen Bibel, der ihm zugeschriebenen 36zeiligen Bibel,

dem „Catholicpn“ des Johannes Baibus und kleineren Drucken vertreten. Das Hauptgewicht der Ausstellung liegt hier allerdings nicht auf den offenen Fragen der Gutenberg- Forschung, sondern auf dem, was Gutenberg der Nachwelt vererbt hat und wie sich seine geniale Erfindung, mit beweglichen Lettern zu drucken, in den Händen der Meister Fust und Schöffer bis zur Mitte des 16. Jahrhunderts entwickelt und ausgebreitet hat. Die Massendrucke der Reformationszeit, vor allem Luthers, bieten dafür ein ebenso großartiges Beispiel wie die Schedelsche Weltchronik, eines der bedeutendsten geographischen Werke, der „Ptole- mäus“ oder die humanistischen Klassikerausgaben von Aristoteles bis Dante. K. H. R.

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