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Gutenberg und die Frühzeit des Buchdrucks

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Die österreichische Nationalbibliothek gehört mit ihren nahezu 8000 Inkunabeln zu den reichsten Sammlungen der Welt; nur die Bayerische Staatsbibliothek in München (mit 16.000) und die Bibliothek des Britischen Museums in London (mit 9000) übertreffen sie, während beispielshalber eine sonst so reiche Bibliothek wie die vatikanische nur gegen 7000 Inkunabeln besitzt.

Auf Grund dieses kostbaren Besitzes an Drucken aus der Zeit von der Erfindung des Buchdrucks bis zum Jahre 1500 ist die Nationalbibliothek die berufene Stelle, um das Andenken Gutenbergs zu feiern, als dessen Geburtsjahr das Jahr 1400 angenommen wird. Die 550. Wiederkehr dieses Jahres hat die Bibliothek veranlaßt, in ihrem Prunksaal eine Auswahl von Werken auszustellen, die nicht nur die Geschichte des Buchdrucks in seinem ersten Jahrhundert illustrieren, sondern zugleich auch den kulturgeschichtlichen Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit lebendig vor Augen führen.

Die Ausstellung beginnt mit Gutenberg und seinem Werk, das in den Originaldrucken der 42zeiligen und der 36zeiligen Bibel sowie des Catholicon gezeigt wird. Im Anschluß an einige Prachtdrucke der Werkstätte Fust-Schöffer, die schon zu Lebzeiten Gutenbergs dessen geistiges Erbe zugleich mit seinen Druckerwerkzeugen übernommen hatte, liegen einige „Blockbücher“ auf: illustrierte Werke, die meist zugleich mit den Bildern auch den begleitenden Text im Holzschnitt wiedergeben. Darunter befindet sich unter anderem das „Symbolum fidei“, das älteste Blockbuch (aus der Zeit zwischen 1450 und 1460), das nur im Wiener Exemplar erhalten ist.

Nach dieser ersten, durch das Thema gegebenen Gruppe von Ausstellungsobjekten folgen Zusammenstellungen, die weniger einem allgemeinen chronologischen oder geographischen Schema angepaßt sind als vielmehr dem Gedanken einer inneren oder äußeren Verwandtschaft. Häufig wird dem Druck eine Handschrift zur Seite gestellt, die denselben Text bietet; oft hat die äußere Form der Handschrift die Anordnung des Drucksatzes beeinflußt — war es doch der Ehrgeiz der Erstdrucker, so zu drucken, wie ein berufsmäßiger Kalligraph schrieb. In einem anderen Falle ist die Handzeichnung der Handschrift die unmittelbare Vorlage für die Holzschnitte des Druckes gewesen. Mehrfach kann eine Handschrift gezeigt werden, die für den danebenliegenden Druck die eigentliche Quelle war. So hat Erasmus von Rotterdam in einer griechischen Evangelienhandschrift des 12. Jahrhunderts eigenhändig eingetragen, daß er auf Grund dieser Handschrift die zweite Auflage seiner griechischen Ausgabe des Neuens Testaments bearbeitet hat. Auch dem ersten Druck der Evangelien in syrischer Sprache (Wien 1555) ist die kleine syrische Handschrift beigegeben, der die Druckausgabe entnommen ist.

Wichtiger als dieses äußere Ineinandergreifen von geschriebenem und gedrucktem Buch sind für die Zeitgeschichte zwischen 1450 und 1550 die Zeugnisse für die geistesgeschichtlichen Bewegungen. — Nicht erst Luther hat dem deutschen Volk die erste deutsche Bibel gegeben, sondern eine Ubersetzung der ganzen Bibel in die deutsche Sprache ließ schon 130 Jahre vor Luther König Wenzel in Prag herstellen und in einer Prachthandschrift aufschreiben. Der ersten gedruckten Bibel in deutscher Sprache vom

Jahre 1466 folgen noch zahlreiche andere deutsche Bibeldrucke. Das große religiöse Interesse der Zeit spiegelt sich in zahlreichen anderen Werken des liturgisch-kirchlichen Bereiches und der volkstümlichen Frömmigkeit. Daneben ist es vor allem die Bewegung des Humanismus, die für das Jahrhundert Gutenbergs bezeichnend ist. Dafür zeugen die rasch aufeinanderfolgenden Erstausgaben der antiken Klassiker, meist von italienischen Druckern. Dem Inhalt dieser Klassikerdrucke entspricht auch die Form: es ist der Antiquadruck, jene Letter, die in ihrer vornehmen Einfachheit völlig dem Geiste der lateinischen Sprache angemessen ist. Gegen Ende des Jahrhunderts beginnt in Venedig Aldus Manutius zu drucken, der noch weit ins 16. Jahrhundert hinein seine in einer kursiven Antiqua gedruckten Taschenausgaben der Klassiker herausgibt. — Auch für andere Wissensgebiete interessieren sich die Humanisten, meist im Anschluß an entsprechende Werke des klassischen Altertums. Für die Geographie ist die antike Autorität Ptole-mäus, für die Architektur Vitruv. Solche Werke geben den Holzschneidern und Kupferstechern Gelegenheit, ihre Kunst auszuüben.

Wie eng die geistliche und profane Wissenschaft mit der bildenden Kunst ihrer Zeit verbunden war, zeigt die künstlerische Ausstattung der Bücher. Es ist oft auf den ersten Blick nicht zu unterscheiden, ob es sich um eine Miniaturhandschrift oder um einen Druck handelt. Noch fehlt sowohl dem reinen Letterndruck als auch dem Bilddruck die spätere technische Routine. Dafür spürt man in allen diesen Werken noch die formende, oft suchende Hand des Künstlers, die sich darum müht, den Geist des gedruckten Wortes im Bilde lebendig werden zu lassen. Nicht immer gelingt dies in so adäquater Weise wie etwa in Dürers „Apokalyptischen Reitern oder in Pleydenwurffs „Schaurigem Totentanz“ aus der Schedeischen .Weltchronik“.

Das 16. Jahrhundert setzt noch durch fast zwei Jahrzehnte das im allgemeinen beschauliche Idyll der stillen Gelehrtenstube fort, in der sich geschriebene und gedruckte Folianten häufen. Erst knapp vor der Jahrhundertwende beginnt sich auch in Wien der Humanismus zu regen, gefördert durch Kaiser Maximilian. Zwei Hauptvertreter dieser Richtung, Conrad Celtis und Johann Cuspinian, haben nicht nur selbst Bücher verfaßt und bei Wiener Druckern herausgebracht, sondern haben als Vorsteher der kaiserlichen Büchersammlung auch ihre eigenen Bibliotheken dieser Sammlung hinterlassen.

Mit dem dritten Jahrzehnt des neuen Jahrhunderts endet die friedliche Ruhe. Der wortgewaltige Mönch von Wittenberg schreibt nicht nur seine großbändige deutsche Bibelübersetzung, sondern er schreibt auch sehr viele kleine Schriften, die zu tausenden ins Volk geworfen werden. In diesen Sturmzeiten wird aus der ursprünglich streng geheimgehaltenen „schwarzen“ Kunst des Buchdrucks eine unheimliche Großmacht, die sich die Massen formt und erzieht. Wohl erinnern manche schön geschnittene Titelblätter noch an die alte Tradition. Aber der Ton dieser Presse ist rauher geworden — und das Papier schlechter. Die Frühzeit des Buchdrucks geht damit zu Ende, der Buchdruck tritt zugleich mit den geschichtlichen Ereignissen in seine Sturmund Drangperioder

So führt die Ausstellung von der Person des noch immer von Geheimnissen umwitterten Erfinders weiter in die weite Welt seines Werkes, das im Verlaufe eines Jahrhunderts zu einem maßgebenden Faktor des Weltgeschehens wurde. Die reichen Bestände der ehemaligen Hofbibliothek legten den Gedanken nahe, bei einem solchen Anlaß neben den unmittelbaren Zeugnissen der Frühdruckzeit auch in größerem Maße Handschriften heranzuziehen. So konnten in vielen Fällen geistesgeschichtliche und kunstgeschichtliche Zusammenhänge gezeigt werden, deren man sich sonst nicht bewußt wird.

Da bei dieser Gelegenheit auch zahlreiche sonst selten gezeigte Kostbarkeiten der österreichischen Nationalbibliothek ausgelegt sind, so ist zu hoffen, daß die Ausstellung, die bis 12. November täglich von 10 bis 16 Uhr geöffnet ist, regen Zuspruch findet.

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