Sohn - © Foto: Filmladen

Tempora mutantur …

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„Bis dann, mein Sohn“: Wang Xiaoshuais grandioses Filmepos erzählt die drastischen Veränderungen in China seit den 1980er Jahren anhand der Geschichte zweier Familien.

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„Bis dann, mein Sohn“: Wang Xiaoshuais grandioses Filmepos erzählt die drastischen Veränderungen in China seit den 1980er Jahren anhand der Geschichte zweier Familien.

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Auch wenn „Bis dann, mein Sohn“ hierzulande erst Anfang 2020 in die Kinos kommt, gebührt Wang Xiaoshuais Filmepos das Prädikat, einer der ganz großen Filme des Jahres 2019 zu sein. Und eine kunstvoll komponierte Auseinandersetzung mit der Rasanz der Entwicklung Chinas, das innerhalb weniger Jahrzehnte das durchmachte, wozu beispielsweise europäische Gesellschaften Jahrhunderte brauchten – jedenfalls in wirtschaftlicher Hinsicht. Ein Preisregen ergoss sich über dieses Opus, nicht zuletzt zwei Silberne Bären in Berlin für Wang Jingchun und Yong Mei als Bester Hauptdarsteller bzw. Beste Hauptdarstellerin.

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„Bis dann, mein Sohn“ umfasst die chinesische Zeitgeschichte von Anfang der 1980er bis zum Jahr 2011. Regisseur Wang erzählt diese Zeit anhand der Geschichte zweier Familien, die in einer Fabrik im Norden Chinas arbeiten: Yaojun und Liyun sind ein glückliches Paar, ihr Sohn Xingxing ist am gleichen Tag geboren wie Hao hao, der Sprössling von Yingming und Haiyan. Als aber Xingxing bei einem Badeunfall ums Leben kommt, ist die kleine Idylle der Familien vorbei. Yaojun und Liyun ziehen ans Meer in die südliche Provinz Fujan, wo Yaojun einen kleinen Reparaturbetrieb aufbaut. Die beiden adoptieren einen Buben, den sie nach ihrem Verstorbenen gleichfalls Xingxing nennen. Yingmin, Haiyan und Sohn Haohao hingegen bleiben im Norden und machen Karriere.

Über Jahrzehnte: Schatten von Schuld

Zwischen dem Elend der Ein-Kind-Politk Chinas, die bis 2015 offizielle Doktrin war, und der rasanten Entwicklung zur wirtschaftlichen Weltmacht spannt sich der äußere Bogen. Doch die inneren Verbindungen sind die beiden Söhne, von denen einer eben tot ist. Diese Tragödie hält die Familien auch über die große Distanz aneinandergekettet, selbst wenn sie voneinander jahrelang kaum etwas hören. Ein Schatten von Schuld und nicht eingestandener Verantwortung lastet wie ein Fluch auf diesen Menschen, und Regisseur Wang nimmt den Zuschauer mit auf eine dreistündige Reise, um zu zeigen, wie dies alles endet.

Selten hat ein Regisseur derartiges Zeiten­-Changieren gewagt, aber Wangs Kunst besteht eben darin, diesem Zeitenknäuel eine innere Logik zu verleihen.

Weder für den Filmemacher noch für den Zuschauer ist das ein einfaches Unterfangen, denn Wang erzählt die Geschichte nicht chronologisch, sondern würfelt die Zeitebenen scheinbar durcheinander: Der Tod von Xingxing bildet den Ausgangs- und gewissermaßen auch den Endpunkt des Films, dazwischen erhellen sich die vergangenen wie die zukünftigen Entwicklungen. Selten hat ein Regisseur derartiges Zeiten-Changieren gewagt, aber die Kunst von „Bis dann, mein Sohn“ besteht eben darin, diesem Zeitenknäuel eine innere Logik zu verleihen. Jedenfalls ist der Zuschauer am Ende gar nicht verwirrt, sondern fühlt sich ins Bild gesetzt. Man kann Wang durchaus unterstellen, mit seinem Film eine kinematographische Bebilderung des Renaissance-Sprichworts „Tempora mutantur, et nos mutamur in illis (Die Zeiten ändern sich, und wir ändern uns in ihnen)“ zu liefern.

Wie sehr dies den chinesischen Kontext betrifft, macht solch bildgewaltiges Epos klar, wobei Wang nicht zu plakativer Zeit- und Systemkritik neigt, sondern in vielen Zwischentönen ebendieses aufzeigt. Am Ende bleibt von der alten Zeit in der nördlichen Industriemetropole nur die weiß getünchte Mao-Statue übrig, die zwischen den Wolkenkratzern mitten in der allgegenwärtigen Verkehrslawine verloren dasteht. Aber – eben dafür sorgt Wang – die alte Zeit, die der Volkstyrann symbolisiert, war erst recht keine gute. Ob aber die aktuelle Ära der „sozialistischen Marktwirtschaft“ deswegen besser ist?

Sohn - © Foto: Filmladen
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Film

Bis dann, mein Sohn

(Di jiu tian chang) China 2019.
Regie: Wang Xiaoshai. Mit Wang Jingchun,
Yong Mei, Xu Cheng, Ai Liya, Qi Xi, Wang Yuan,
Du Jiang. Filmladen. 185 Min.

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