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Aus für die „ Gegenwart

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Die Literaturzeitschrift „Gegenwart” erschien seit 1989. Weltpolitisch wankte der To-talitarismus, innenpolitisch rüttelten die Grünen. „Gegenwart” kam als „Kulturzeitschrift für Osterreich und Umgebung” auf den Markt, um „literarische, politische, satirische und essayistische Texte” zu verbreiten. Das Tiroler Schriftstellerpaar Walter Klier und Stefanie Holzer trat damit „zur Förderung des Denkens” (Impressum) an. Daß sie literarischer Provokation geneigt waren, bewiesen sie in einer Parallelaktion: Synchron mit der ersten Nummer sorgte der Roman „Winterende” (Zsolnay) unter dem Pseudonym Luciana Glaser im Frühjahr 1989 für Aufregung. Im Brotberuf schrieb Klier Rergfüh-rer.

„Gegenwart” sollte festgefahrene Werturteile hinterfragen und erschien ursprünglich für einen grünalternativen Leserkreis, war gedacht als Ersatz für das „Forum” der sechziger Jahre. Sie brachte kluge Essays (als Buch bei Deuticke), Autorenpor-traits (zuletzt: „Wer war Hans Habe?”, „Wer ist Lion Feuchtwan-ger?”), Versuche zur deutschsprachigen Literatur, Sichtflüge über die internationale Literaturlandschaft. Die Qualität der Texte, die nicht selten nachgedruckt wurden, war hoch.

Für heimische Verhältnisse hoch war die Zahl deutscher Mitarbeiter. Eigenständigkeit (ohne Presseförderung) zeigte sich in hausgemachten, qualitätsorientierten Bestsellerlisten und im Hinweis „no poems, please!”. Dieses einzige Gebot wurde in den letzten zwei Jahren mit einem Sonett-Wettbewerb provokant konterkariert.

Die „Gegenwart” hatte mit „staatstragenden Autoren” (Klier) aus der Wiener Region ihr liebes Problem - der Herausgeber machte in seiner FAZ-Rezension von Wendelin Schmidt-Denglers Residenz-”Literaturgeschichte Österreichs 1945-1995” aus seinem Herzen keine Mördergrube - und kam dennoch im staatlichen Deuticke-Verlag heraus. Viermal im Jahr, großformatig, 60 Seiten schwer, augenfreundliches Layout, subtile Karikaturen, feine Portraitzeichnungen, aber leider nur in einer verbreiteten Auflage von 1.500 Stück. Abonnenten gab es knapp 500.

Das führte zur Resignation. Walter Klier: „So, wie wir uns gedacht haben, daß es werde, ist es nicht geworden.” In Wien, Frankfurt und Berlin hatte das Blatt „großes Echo in der Fachwelt”, aber „insgesamt zu wenig Leser”. Die Hebelwirkung war zu schwach, die Konkurrenz der Wochenendbeilagen der Tageszeitungen zu stark. Kliers Resümee: „Wir haben das Bildungsbürgertum nicht erreicht.”

Mit Nummer 35 ist Schluß. Die Zeitschrift stand in einer Beihe mit dem Stuttgarter „Merkur”, dem Berliner „Lettre”, dem Wiener „Wespennest” oder der Salzburger „Literatur und Kritik”. Weniger recht wäre den Tirolern der Vergleich mit puren Literaturzeitschriften wie „Manuskripte”, „Protokolle” oder „Sterz”. Der Blick war nie werkimmanent, immer werksoziologisch.

Anfang 1997 gab die halbjährliche Innsbrucker Literaturzeitschrift „Inn” nach vielen Jahren auf. Wenn mit Ende 1997 der Tyrolia-Verlag „Präsent” einstellt, ist in einem Jahr Tirol um drei anspruchsvolle Zeitschriften ärmer.

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