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Carl Spitzweg

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Die Graphische Sammlung Albertina zeigt — einem glücklichen Einfall und einer einmaligen Gelegenheit folgend — in einer sehr hübschen Ausstellung 106 Zeichnungen und Aquarelle und 29 Ölbilder von Carl Spitzweg. Der 1808 geborene Maler war ausgebildeter Apotheker und als Künstler Autodidakt. Seine liebenswürdigen Genrebilder und Landschaften, in denen die Staffage meist einer anekdotischen Pointie- rung dient, haben sich einer stetigen Wertschätzung erfreut, die beim breiten Publikum vor allem auf die stimmungsvolle, humoristische und satirische Ader des erzählerischen Elementes zurückzuführen ist. Die Poesie seiner nächtlichen Kleinstadtgassen, die Bücherwürmer, Kakteenfreunde, disputierenden Mönche, strickenden Wachposten und Serenaden spielenden Musikanten haben immer an das Gemüt des Publikums gerührt. Über der Oberfläche dieses gelegentlich bissigen Humors wurde und wird aber zumeist die beträchtliche und manchmal erstaunliche malerische und künstlerische Leistung übersehen, die in diesen Idyllen verborgen ist und ein realistisches Verhältnis zur Welt beinhaltet.

Hinter dem liebevollen Vorwand der Sujets verbarg sich ein künstlerisches Temperament das Licht und Schatten seiner Kleinstadtgassen mit Maß und Ziel zu ordnen und zu komponieren wußte, und einen von der Sonne erhellten Raum mit den verschiedensten Reflexen ebenso gestalten konnte, wie eine staubige Bibliothek oder eine Freilichtlandschaft, in der sich das liebevoll beachtete Detail dann doch einem größerem Ganzen unterordnet. Gerade hier ist Spitzwegs Leistung, zieht man vor allem seinen Werdegang in Betracht, besonders erstaunlich. Bilder wie die „Ankunft in Seeshaupt”, wo die Farbe zum Träger einer räumlichen Bewegung wird, oder „Im Walde” schließen — später zwar, aber doch — an den „Plednai- rismus” von Rousseau, Diaz und Daubigny in einer sehr persönlichen und freien Weise an und verraten eine Frische der Empfindung, die überrascht. Damals allerdings malte Manet „Die Barke”, „Nana” und „Chez pėrė Lathuille”, womit die Situation der deutschen Malerei eindeutig gekennzeichnet wird. Ihr konnte weder ein Leibi noch ein Spitzweg entrinnen, und der Weg eines Marėes mußte ein einsamer bleiben.

Die Zeichnungen Spitzwegs, meist treffsichere und lebendige Beobachtungen, verraten in manchem einen Zusammenhang zu Moritz von Schwind (der auch in seinen Bildern festzustellen ist), aber auch — in ihrem Blick für die menschliche Physiognomie — eine Wesensverwandtschaft zu Daumier, ohne allerdings die schonungslose gallige und gallische Bitterkeit dieses großen Enthüllers zu besitzen, an die er aber gelegentlich (wie in der alten Vettel „Justitia mit Waage und Schwert”) auf seine Weise herankommt. Die späten und duftigen Zeichnungen wie der „Hengst”, „Reisende Gesellschaft” und „Tänzerin im Wald” zeigen die reife Erfüllung einer bis ins Alter hinein empfindsamen und lebendigen Begabung, die erst erlischt, als Spitzweg 1885 stirbt. Eine sehenswerte Ausstellung, die bis zum 20. März geöffnet bleibt.

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