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Ein Meister aus dem Leibi-Kreis

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Seit Jahrzehnten war Deutschland einem seiner besten, echtesten Künstler des an Scheinwerten und Scheingrößen überreichen 19. Jahrhunderts die angemessene kunstgeschichtliche Würdigung schuldig geblieben: dem Landschaftsmaler Johann Sperl (1840 bis 1914), dem klassischen Schilderer der heimlichen Reize des wohlig durchwohnten Bauernlandes zu Füßen der Bayrischen Alpen, der elegischen Schönheit der weithin gedehnten Chiemseelandschaft und der großartigen Aufblicke aus Menschenhand empor zur Majestät der Gipfel; — Wenn nun das vorzügliche, leicht lesbare Sperl-Buch von Eugen Diem diese alte Ehrenschuld tilgt und mit seinen ausgezeichneten, teils farbigen Bildtafeln einen ausreichenden, wenn auch nicht erschöpfenden Einblick in das beseelte stille Schaffen dieses wahrhaften Meisters gibt (leider ohne eine chronologische Ordnung seiner Gemälde zu versuchen und auf seine Zeichnungen einzugehen), so muß man sich fragen, weshalb diese Monographie so lange ausbleiben konnte. — Wohl deshalb, weil Sperl nur durch die künstlerischen Qualitäten seiner Malwerke wirken wollte und es verschmähte, sich billigen, vergänglichen Tagesruhm und materielle Erfolge durch die sattsam bekannten Propagandafeldzüge der Presse und Kunstzeitschriften zu verschaffen, weil er den Anschluß an marktgängige Bildthemen und an eine erfolgreiche Kü6tlerclique nicht anstrebte; ferner, weil Sperl lebenslang gleichsam im Schatten seines Urfreundes Wilhelm Leibi zu stehen schien, mit dem er sich zu einem Leben in verkehrsfernen Bauerndörfern und fallweise auch zur Arbeit an vorzüglichen Gemälden verband, so daß Publikum und Presse Sperl bloß als einen der zahlreichen Maler des Leibi-Kreises werteten und ihn vergaßen, als er am Vorabende des ersten Weltkrieges nach langer Krankheit in einem Dorfe starb.

Nun erst zeigt uns Diem einen wesentlichen Teil der beglückenden Kunst dieses begnadeten Landschafters, dessen Schaffen auf innigster Versenkung in die Natur von Landschaft und Mensch beruhte, so daß wir Sperl keiner künstlerischen Richtung oder Zeitmode einordnen können; dafür aber sind seine Werke auch nicht veraltet, sie sprechen uns vielmehr in ihrer lauteren Meisterschaft herrlich wie am Tage ihrer Entstehung an; ihre Gesamtheit aber ergibt das erschütternde Bild von der schlichten menschlichen Größe und dem künstlerischen Ethos ihres Meisters, der sich aus tiefster Armut zu reifem Können, aus bitterer Verkennung durch die absichtsvolle Mißgunst der Kreise um Lenbach hindurch den Weg zur Anerkennung durch die Besten schwer erkämpft und eine sichere Laufbahn als Genremaler mutig aufgegeben hatte, um seiner Berufung zum Landschafter zu folgen.

Dieses Sperl-Buch des Verlages Bruckmann ist eine beglückende Gabe von dauerndem Wert, ein sonnig grüner Rastplatz in den weiten, oft öden Gefilden moderner Kunsthistorie; es kommt zu einer Zeit, in der die Kunsthändler bereits mit feinem Spürsinn wieder Sperls Werke suchen und eine umfassende Ausstellung seines gesamten Schaffens eine unabweisbare geistige Notwendigkeit geworden ist. Diese künftige Schau wird die tiefe, echte Volkstümlichkeit dieses bescheiden-großen Malers besiegeln, der nicht mehr vergessen werden kann, weil sein Schaffen aus dem geistigen Besitzstande Deutschlands nicht mehr wegzudenken ist.

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