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Ein vulgäres Ballett

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Er ist einer der wichtigsten Vertreter des in Wien und Umgebung noch immer mit Überzeugung unterschätzten „Art brut“. Was indes nicht heißen soll, daß ihm Häßlichkeit unbedingt Herzensangelegenheit ist, wiewohl er mit der hohlen Ästhetisierung der Kunst gründlich aufräumt: Adolf Frohner, geboren 1934 in Groß-Enzersdorf — er hat sich in den 35 Jahren erstaunliche Jungenhaftigkeit bewahrt und quasi im geheimen das Spitzbübische kultiviert —, vertritt ab September bis 8. Jänner gemeinsam mit Ernst Fuchs Osterreich auf der 10. Biennale in Sao Paolo. Übrigens eine sehr vernünftige Wahl. Und nicht nur, weil da einander zwei profilierte Künstler durch zu enge Geistesverwandtschaft nicht im Weg stehen.

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Er ist einer der wichtigsten Vertreter des in Wien und Umgebung noch immer mit Überzeugung unterschätzten „Art brut“. Was indes nicht heißen soll, daß ihm Häßlichkeit unbedingt Herzensangelegenheit ist, wiewohl er mit der hohlen Ästhetisierung der Kunst gründlich aufräumt: Adolf Frohner, geboren 1934 in Groß-Enzersdorf — er hat sich in den 35 Jahren erstaunliche Jungenhaftigkeit bewahrt und quasi im geheimen das Spitzbübische kultiviert —, vertritt ab September bis 8. Jänner gemeinsam mit Ernst Fuchs Osterreich auf der 10. Biennale in Sao Paolo. Übrigens eine sehr vernünftige Wahl. Und nicht nur, weil da einander zwei profilierte Künstler durch zu enge Geistesverwandtschaft nicht im Weg stehen.

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Nun, womit Frohner Österreichs Kunst und sich selbst repräsentiert ist von Spitzenqualität: 10 großformatige Gemälde, 4 Zeichnungen und 16 Radierungen, darunter die Blätter des „vulgären Balletts“, fächern für ein internationales. Publikum auf, was er Unkbnvenii6nife''JUDer menschliche Situationen, Sinnlichkeit, über die menschliche Gestalt reflektiert.

Aufgedunsene, aggressiv auf Leinwand und Papier gestrichelte Damen, harte Wesen, die ihre Männer, Schattenexistenzen von eher dekorativer Bedeutung, unverschämt manipulieren, räkeln sich da ungeniert, posieren für den Betrachter. Christine Keeler überdenkt neue Methoden strippender Erlustigung. Die mondänkapriziöse „Diana“, eine ungemütlich-kühle Collage-Lady von vibrierender Nervosität und gekünstelter Erotik, drapiert sich mit den feinst nuancierten Punkteschleiern eines Drucktasters. Auf Parnilienlbildern (zum Beispiel dem von 1966) arrangiert sich Frohner malerisch mit der matriarchalischen Dominante. Und wer in sein Atelier in Grin-zing kommt, steht unvermutet einem Historienbild gegenüber, das nach außen hin scheinbar eis-

grau-kalmierende Eintönigkeit suggerieren will, in Wirklichkeit aber die abgrundtiefen Vulkankrater der Malerei Frohners bloßlegt. Es ist das „Urteil des Paris“, eine der wenigen Arbeiten Frohners,-in denen er vom Ein-personenfoild .abrü~i J?äris, das kraftlose, androgyne Wesen, gesicht- und fast konturlos, ist den Grazien auf Gedeih und Verderb ausgeliefert. Frohner wollte ihm ursprünglich Frauenkleider überziehen. Aber das Werk ist bislang unvollendet geblieben. Trotz etlicher mühsamer Uber-arbeitungen ...

Flott hingeworfenes, vielfach korrigiertes Gestrichel, randvoll gepumpt mit Expressivität, findet sich bei ihm überall. Argument: „Ich trau' keiner Linde! Zeichnen einer Partie und Wegnehmen des Uberflüssigen mit dem Radiergummi ist gesundes Wechselspiel. Knifflige Stellen habe ich sogar schon 35mal überarbeitet. Irgend etwas bleibt doch immer übrig.“ Rosa und Ocker sind „schon scharfe, aber doch bevorzugte Farben“, die sich den ausgesprochen graphischen Qualitäten der Bilder nahtlos verbinden... Jedes Grau ist bei Frohner allein schon gestaut mit vielfältigen Nuancen. Da zeigen sich die aus-

gesprochen malerischen Momente. Ursprünglich ging Frohner von Matritzenbildern aus. Sie stehen heute bei ihm im Keller: „Aus dem Material, seiner .Faktur*, habe ich für mich die Handschrift' — wenn ich's so nennen darf — herübergerettet, die Vielfalt der Linien, die, wie Roßhaar dort, sich auf den Bildern und Zeichnungen zur Figur verdichten. Sie hat sich freilich erst allmählich ergeben. Erst waren es nur Assoziationen, die den Betrachter auf menschliche Gestalten hinwiesen, Rudimente von Figuren. Dann, als ich mit der Aktionsmalerei am Ende war, lag der. Schritt i?att: Figur nahe.“/ 'Wer im Atelier.bei Sitohner. etwa ' dieReftexionan*-über Adalbert Stifter) betrachtet weiß, daß Frohner einer der feinnervigsten Zustandskommentatoren ist. Oberflächenbeschreibung und Henry Millers Sinnlichkeit — „unter einem Haustorbogen bin ich ihm in Paris begegnet“ — verbinden sich zur Ästhetik des Häßlichen, der er als einer der profiliertesten, auch vehementesten Interpreten huldigt. Daß seine Inspirationsquellen im Grunde stets in trivialen Dingen, in Zeitungsphotos, illustrierten Magazinen, früher in Wandkritzeleien, zu suchen sind, ist da von eher sekundärer Bedeutung. Interessant ist freilich, daß er in diesen Objekten sozusagen einen Gegenpartner hat, den im Colla-gieren zu zählen er als wichtigsten künstlerischen Produktionsprozeß ansieht. Der Zufall darf da natürlich ein bißchen mitspielen. Aber vielleicht macht auch das den Reiz so vieler Frohner-Bilder aus.

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