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Rituale

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„Daß die Frauen des Österreichers Adolf Frohner zu Klassikern werden, wie es zum Beispiel die von Modigliani, von Casorati, van Dongen, Kisling und De Kooning geworden sind“, hat der italienische Künstler und Kritiker Dino Buzzati schon zu einer Zeit vorausgesagt, da die Weltkarriere des Malers durchaus nicht allen sicher schien. Frohner, Jahrgang 1934, war damals erst drauf und dran, den Reigen der internationalen Biennalen in Sao Paulo, Venedig, Laibach, Krakau, Florenz zu absolvieren.

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„Daß die Frauen des Österreichers Adolf Frohner zu Klassikern werden, wie es zum Beispiel die von Modigliani, von Casorati, van Dongen, Kisling und De Kooning geworden sind“, hat der italienische Künstler und Kritiker Dino Buzzati schon zu einer Zeit vorausgesagt, da die Weltkarriere des Malers durchaus nicht allen sicher schien. Frohner, Jahrgang 1934, war damals erst drauf und dran, den Reigen der internationalen Biennalen in Sao Paulo, Venedig, Laibach, Krakau, Florenz zu absolvieren.

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Frohner hatte damals gerade seine künstlerische Ausgangssituation, Matratzenbilder, vollends überwunden. Aber aus dem Material, seiner Faktur, entwickelte er im Zeichnerischen die unverkennbare Handschrift: eine Vielfalt der Linien, die, wie Roßhaar dort, sich noch heute auf den Bildern und Zeichnungen zur Figur verdichten. Auch die Gestalt hat sich freilich erst allmählich ergeben. Erst waren es nur Assoziationen, die den Betrachter auf menschliche Wesen hinwiesen, Rudimente von Figuren.“ Dann, als Frohner mit der Aktionsmalerei am Ende war, erfolgte der Schritt zur Figur, zum „vulgären Ballett“, zum „Körperritual“.

Soeben vollendete der bekannte deutsche Kunsttheoretiker und Soziologe, Horkheimer- und Adorno-Schüler Dr. Peter Gorsen seinen Essay zur neuen Monographie über Adolf Frohner (Verlag Jugend und Volk), in der er Froh-ners Werke auf ihr Verhältnis zur Ästhetik tnassenspezifischer Interaktion untersucht, das heißt, die „Körpersprache“ in den Bildern Frohners im Zusamenhang mit Photomaterial in Zeitungen, Illustrierten, Magazinen analysiert.

Frohners charakteristische Wesen, Frauen, die der Häßlichkeit huldigen, bildgewordene Reflexionen dessen, was sich Frohner Unkonventionelles zu menschlichen Situationen und zur Sinnlichkeit vorstellt, dominieren seit damals. Aufgedunsene, aggressiv auf Leinwand und Papier gestrichelte Damen — dazu Frohner: „Ich mal wie der Teufel drauf los!“ —, harte Wesen, die ihre Männer zu Schattenexistenzen von eher dekorativer Bedeutung herabwürdigen, posieren für den Betrachter. Einst waren es „Christine Keeler“ und die mondänkapriziöse „Diana“, dann matriarchalische Damen, die sich zum großen Historienbild (etwa dem monumentalen „Urteil des Paris“, zur Zeit in der Pressehausgalerie zu sehen) fügen. Dieses „Paris“-Bild etwa ist ein Schlüsselwerk: Nach außen hin will es scheinbar eisgrau-kalmierende Eintönigkeit suggerieren, dahinter aber arbeitet gleichsam der abgrundtiefe Vulkankrater der Malerei Frohners. Paris, das kraftlose, androgyne Wesen, gesichts- und fast konturlos, ist den Grazien auf Gedeih und Verderb ausgeliefert (Frohner wollte ihm ursprünglich sogar Frauenkleider überziehen).

Inzwischen hat Frohner sich über dieses Werk weit hinausentwickelt: Das nervöse Stiftgestri-chel scheint gebändigt; Farbe, früher grundierend, jetzt gestaltend eingesetzt, rotlila Tönunigen, mehr Ocker als bisher, sind in die reich schattierte graue Fläche eingebrochen. Die Bilder beruhigen sich zwar an der Oberfläche, die Figuren wirken glatter, weniger exaltiert, aber das ist Schein: „Bindungen“ nennt Frohner die neuen Bilderserien, und diese „Körperrituale“ sind seine bisher schärfsten Angriffe „gegen die Inhumanität, gegen das Maß der Vertuschung, gegen' die maschinellen Formen der Geisttötung, gegen Massenvemichtungsmetho-den, Heuchelei...“. Das Bedrohende hat sich gleichsam maskiert, aber ohne in kalte Ästhetik umzuschlagen, denn die „Brutali-sierung der Welt verträgt, in Bildern festgehalten, keine Ästheti-sierung!“

Frohner ist freilich als Zustands-kommentator, Zustandskritiker geblieben wie er war: Er ist zwar längst über seine „Stifter“-Zeich-nungen hinaus, aber — wie er sagt — „Oberflächenbeschreibung und Henry Millers Sinnlichkeit... unter einem Haustorbogen in Paris bin ich ihm das erstemal begegnet... sie verbinden sich zur Ästhetik des Häßlichen“. Seine Inspirationsquellen und Anreize sind, wie einst, Zeitungsphotos, illustrierte Magazine, Wandkritzeleien (ähnlich wie bei Jean Dubuffet, zu dem er Kontakte pflegt), triviale Dinge, die für ihn bei der Arbeit eine Art Gegenpart sind.

Fragt man Frohner nach seinen internationalen Ausstellungen, so weiß er gar nicht alle Termine und Orte auswendig, die etwa demnächst auf ihn zukommen: Wichtig davon scheinen ihm jedenfalls Venedig, Rom, London, Washington und New York ((mit Alfred Hrdlicka), Israels prominente Gordon Gallery, eine Menge Ausstellungen in der BRD, Beteiligungen auf den Kunstmessen und -markten usw. Am aufregendsten ist für ihn freilich eine Wiener Ausstellung, die er selbst als Leiter organisieren wird. Thema: „Kunst und Politik“, des a. o. Professors Frohner Steckenpferd ... Und natürlich die Zusammenarbeit mit dem prominenten deutschen Kunsttheoretiker Peter Gorsen, der für sein neues großes Frohner-Buch im Wiener Verlag „Jugend und Volk“ (Werkkatalog: Manfred Chobot) gerade in Wien das Bildmaterial kritisch sichtet.

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