Aus der zeitgenössischen Pestgrube

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Die Brutalität und Grausamkeit der Wirtschaftswunderwelt ins Bild gesetzt: Zum Tod von Adolf Frohner.

In der Kunst", schrieb Adolf Frohner in einem programmatischen Kurztext, "geht es nicht um die schönste Farbe - man darf aus ihr kein Kinderspiel machen! - Hier geht es um den Menschen in seiner unmittelbaren Auseinandersetzung mit der Umwelt und mit dem eigenen Ich; um eine tägliche Konfrontation mit dem Krebsschaden der Zivilisation: die erzwungene Einordnung des Einzelnen in eine größere Gemeinschaft auf Kosten seiner selbst. Ein Thema, das uns alle angeht, um das keiner herumkommt, nicht die Y-ianer, Gänseblümchenfetischisten oder Primelliebhaber; keiner, der in einem der vielen Mietshäuser etwas aus seinem Leben zu machen versucht." Die Kunst als Ernstfall des Lebens, als jenes Feld, das wie kaum ein anderes sich dem Experiment öffnen kann, fordert gleichzeitig ein bedingungsloses Ringen bis zum letzten Pinselstrich ein. Mit dieser Radikalität schuf Frohner seine Bilder, bis zuletzt, als ihm der Tod am 24. Jänner den Pinsel aus der Hand nahm.

Der am 12. März 1934 in Groß-Inzersdorf in Niederösterreich geborene Frohner brach mit achtzehn Jahren in die Stadt nach Wien auf, um Maler zu werden. Freilich über Umwege, schaffte er doch die Aufnahme an die Kunstakademie nicht, weil er, wie er selbstironisch feststellt, nicht wusste, was ein Passepartout ist. Als er sich dann mit Otto Mühl Mitte der 50er Jahre zusammentat, um die klassische Moderne nachzuholen, bemerkten die beiden bald, dass ihre Versuche anderswo längst durchgespielt waren. Ihre Reaktion gerät zum Gründungsmythos des "Wiener Aktionismus".

Das "Blutorgel"-Manifest

Im Juni 1962 ließen sich Adolf Frohner, Otto Mühl und Hermann Nitsch drei Tage lang in einem Kelleratelier zwecks Schaffung einer neuen Art von Kunst einmauern. Im dazu verfassten Manifest, der Blutorgel, reden die drei von einer "schrankenlosen Enthemmung", die aber als "dreitägige Exerzitien" gerade als Reinigung gedacht ist, als "Befreiung von aller Brunst, als Transponierung derselben in Blech und Schrott", um höchst anspruchsvoll zu enden: "Die ganze Materie des Kosmos wollen wir verwandeln."

Frohner hielt es allerdings nicht lange bei den Aktionisten, er wollte keine Reaktionen provozieren, die er nicht steuern konnte. Er zog sich lieber in sein Atelier zurück, um dort für sich aktionistisch zu arbeiten und nur die Produkte der Öffentlichkeit vorzustellen.

Seit damals erzählen seine Arbeiten, seien es aufgerissene Matratzen oder die gefesselten Frauendarstellungen, von der Brutalität und Grausamkeit unserer Zivilisation. Der künstlerische Blick auf die Wirklichkeit deckt die fein kaschierten Machtmechanismen der Wirtschaftwunderwelt auf und stellt sie in unverblümter Härte öffentlich zur Schau.

Aber der Schöpfer dieser Werke ist kein verbitterter Melancholiker, ganz im Gegenteil, seine Lebensfreude zeigt sich nicht zuletzt in seinem Humor. Wie ein moderner lieber Augustin stimmt er in der zeitgenössischen Pestgrube rotgetönte Melodien an, um sich und andere eine Leiter aus derselben anzubieten.

Den Ausweg zeigt seine Kunst, die die menschliche Unvollkommenheit unmittelbar ins Bild setzt, auf vollkommener Stufe. Der Störenfried war über 30 Jahre lang Professor an der Hochschule für angewandte Kunst, erhielt das Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst, und wenige Tage vor seinem Tod erfolgte der Spatenstich zum Frohner-Forum in Krems-Stein, einem Kulturzentrum, das hauptsächlich sein Werk zeigen wird.

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