7129164-1997_17_23.jpg
Digital In Arbeit

Grapsch dir das Glück

Werbung
Werbung
Werbung

Bitte stellen Sie sich in frauenfreundlichen Zeiten wie diesen und überhaupt unter zivilisierten Menschen folgende Szene vor: Da kommt ein weibliches Wesen mit allerlei Schnickschnack bekleidet daher-getänzelt und ein Mann reißt ihr grapschend das Zeug vom Leibe. Wie immer die Correctness heißen möge, außer in fragwürdigen Lokalen ist diese Situation nicht nur ungewöhnlich, sondern auch verboten, und gilt eindeutig als die vieldiskutierte „sexuelle Belästigung". Mit Becht haben sich die Frauen diese und andere Arten der Begrapschung mit Hilfe des Gesetzgebers verbeten.

Und nun stellen Sie sich vor, daß Sie eben eine solche Szene ab 4. Mai bis zum 8. Juni täglich um 21.45 Uhr im 1. Programm des österreichischen Fernsehens vorgesetzt bekommen. Der sogenannte „Money Strip" ist die Werbe-Idee einer Getränkefirma. Wer fleißig die Kronen-Korken dieser Firma sammelt und einsendet, gewinnt ein Spielkapital bis zu 100.000 Schilling und darf seine Grapsch-Ge-schwindigkeit unter Beweis stellen, indem er der auftretenden Dame in 20 Sekunden möglichst viele Tausender vom Leibe reißt.

Die Kombination von Geldgier und Lüsternheit, die sich die Werbefritzen da einfallen ließen, erinnert fast schon an den Sittenverfall im alten Rom. Aber wir sind ja mittlerweile abgebrüht. Aber wie wird die Szene überhaupt auf die korkensammelnden Zuschauer wirken? Wie bei dem im Vorjahr aufgekommenen Fernseh-Spiel-chen der staatlichen Glücksspiel-Monopolverwaltung, bei dem die Tausender im Windkanal zu fangen waren, kommt es auch beim „Money-Strip" auf die flinkte Geschicklichkeit an. Übung macht den Meister! Damals empfahlen wir in dieser Satire das häusliche Training des Geldfangens mit dem Haarfön. Was sollen wir jetzt empfehlen?

Eine Art „Hasch mich, ich bin der Frühling!" mit der Bürokollegin könnte zu peinlichen Mißverständnissen und disziplinaren Maßnahmen führen. Man kann das schon verstehen Denn wie kommt die Kollegin dazu, sich begrapschen zu lassen, damit der Herr Korkensammler bessere Chancen beim Geldgewinn hat? Andererseits sind der männlichen Ausrede jetzt endlich Tür und Tor geöffnet.

Der kürzlich verdächtigte Linzer Arbeiterkämmerer hatte vielleicht gar keine erotische Annäherung im Sinn. Er wollte nur das karge Haushaltsbudget ein wenig aufbessern und hat ein Money-Strip-Training versucht. Da ein Kavalier in Osterreich aber nicht über Geldangelegenheiten spricht, hat er die Kollegin nicht über seine wahren Absichten informiert. Und diese hat ihn mißverstanden. Wir empfehlen daher künftig, die Versuchsperson vorher zu unterrichten: „Darf ich Money-Strip mit Ihnen spielen?". Im Falle der Ablehnung ist zu klären, ob nicht schon die Frage eine Beleidigung oder Belästigung ist. Der ORF täte gut daran, der Sendung eine entsprechende Rechtsaufklärung voran- oder nachzustellen.

Der wahre Glücks- und Korkenprofi und leistungsbewußte Österreicher kommt natürlich am Arbeitsplatz gar nicht auf solche zeitverschwenderischen Ideen. Er trainiert daheim mit seiner Angetrauten. So viel eheliche Koketterie hätte die ihm - noch dazu im Alter einer gewissen Reife - gar nicht zugetraut.

Aber im Gegensatz zu dem oft gehörten Vorwurf, das Fernsehen störe und zerstöre das Eheleben, ist hier das Gegenteil zu bemerken. Wie viele Paare werden in diesen Frühlingswochen mit Hilfe des Money-Strip-Trai-ningS' neue Reize des Zusammenlebens entdecken? Mit welchem Fieber wird die Gattin vor dem TV-Schirm sitzen, wenn der daheim trainierte Korkensammler ins Programm kommt und seine grapschende Fingerfertigkeit tausenderträchtig beweist? Der oft bedauerte Zusammenhang von Geld und Liebe, hier wird er zum Ereignis! Bleibt freilich besonders zu beklagen, daß auch hier wieder die Frauen benachteiligt sind. Die Stripperin darf vor- und verführen, der Mann jedoch gewinnt. Das österreichische Fernsehen prägt durch markante Beispiele das Verhalten. Ein paar wagemutige Feministinnen sollten einmal die Werbe-Machos ordentlich begrapschen!

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung