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Königliche Kaufleute

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DIE FUGGER. Von Götz von Pölnitz. Verlag Heinrich Scheffler, Frankfurt am Main I960. 397 Seiten

Es wäre müßig, erst erklären zu wollen, welches Interesse einer Geschichte der Fugger gebührt. Ist doch der Name der Fugger geradezu sprichwörtlich für märchenhaften Reichtum in altdeutscher Zeit. Wie bedeutsam ist eben der Zeitpunkt der Fugger- schen Entwicklung! Die Fugger steigen auf am Ende des Mittelalters; ihr Reichtum gehört nicht mehr der feudalen, er gehört schon der kapitalistischen Wirtschaftsform an. Aber gerade weil die Fugger zu den ersten Kapitalisten gehören, werden sie noch von der feudalen Oberschicht assimiliert — in die feudale Ordnung eingefügt. Die Enkel der Leinenweber sind regierende Reichsfürsten! Es handelt sich dabei nicht etwa um Snobismus, um Eitelkeit. Nein, die Fugger haben ihre handwerklichen Vorfahren keinen Augenblick verleugnet — während zur gleichen Zeit die gefürsteten Medici sich auch nicht um den aus neuerer Zeit wohlbekannten Versuch, feudale und kapitalistische Vorrechte in nicht immer erfreulicher Weise miteinander zu koppeln, drückten. Nein, diese Fugger sind in den Reichsfürstenstand, und zwar in dessen katholische Gruppe, hineingewachsen; und gerade das zeigt, wie früh sie aufgestiegen waren. Doch welche Dienste hatten sie der katholischen und der kaiserlichen Sache vorher geleistet! Freilich war das Verhältnis zwischen dem Erzhaus und seinen Bankieren nicht immer idyllisch — das konnte es nicht sein, wo es in den großen Kriegen des 16. und 17. Jahrhunderts um Sein und Nichtsein ging. „Cre- pan los Fucares", sollen doch die Fugger krepieren, aber der Dreißigjährige Krieg muß finanziert werden, das war der Sinn eines häßlichen Wortes von König Philipp; und ihrerseits haben die Fugger den Habs burgern auch nicht jeden Wunsch von den Augen abgelesen . . .

Eine spannende Geschichte ist es also, welche der Direktor des Fugger-Archivs uns „am 6. März 1959, dem 500. Geburtstag Jakob Fuggers des Reichen", beschert hat. Das Buch ist reich ausgestattet: hochinteressanter, sehr gut gewählter Bilderschmuck, Literaturverzeichnis, Zeittafel, Register, vereinfachte Stammtafel, Landkarte; alles ist da. Dabei hat das Eu h nicht nur historisches Interesse. Nein, es berichtet auch eine erfreuliche Aktualität: wie nach der Zerstörung Augsburgs im zweiten Weltkrieg das Fürstenhaus Fugger sich nicht abhalten ließ, seine einzigartige Sozialeinrichtung, die Fuggerei, neu zu schaffen. Die Fortführung alter Werke ist überhaupt ein bemerkenswerter Zug der Familie; wird doch auch die Porträtserie seit Jahrhunderten systematisch fortgesetzt. Ein würdiges Thema ist es, welches hier einen liebevollen Bearbeiter gefunden hat.

Gerade weil das Buch so reich ist, sucht der Leser natürlich noch dies und jenes. Der Rezensent hätte gerne etwas gelesen über die Händel, die sein Ahne Ott Fleinrich wegen der Herrschaft Mindelheim mit den Fuggern hatte — ein kompliziertes Stück Gebietspolitik, in dem alle Beteiligten ziemlich — sagen wir unsentimental — miteinander umgesprungen sind. Dem Chronisten der Fugger ist diese unerbauliche Geschichte natürlich wohlbekannt; daß er seine Erzählung nicht noch mit ihr kompliziert hat, mag ihm ein anderer Leser verzeihen . .

Ernsthaft wüßten wir dem Buch wirklich keine Ausstellung zu machen, außer daß dem Autor einmal die Feder ausgeglitten ist, so daß etwas in Ordnung „geht“, was auf deutsch in Ordnung ist. Es gehört zu den erfreulichen Werken, die dem Fachmann und dem gebildeten Durchschnittsleser etwas zu bieten haben. Wenn alles mit rechten Dingen zugeht, muß man dem Buch zahlreiche Leser weissagen. Wir hören ja immerzu — hauptsächlich in pädagogischen Programmen —, daß man der Kriegsgeschichte über drüssig sei; man wolle Wirtschafts- und Kulturgeschichte. In der Tat — deteriora sequor —, man liest Generalsmemoiren und Stalingrad-Romane Doch jedenfalls hier ist ein Buch, das aus der Sozialgeschichte Deutschlands, aus seiner Wirtschafts- und Kulturgeschichte, ja aus solcher Geschichte ganz Europas eine hochinteressante Episode zugänglich macht.

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