Von Geld, Blut und FUGGEREI

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Die Kluft zwischen Arm und Reich ist zum großen Problem der Globalisierung geworden. Über die Plutokratie und ihre historischen Vorbilder.

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Die Kluft zwischen Arm und Reich ist zum großen Problem der Globalisierung geworden. Über die Plutokratie und ihre historischen Vorbilder.

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Wollte Bill Gates sein gesamtes Vermögen zu Geld machen und jeden Tag eine Million Dollar ausgeben, dann würde er 218 Jahre brauchen. Dieses Gedankenspiel stellt die britische Hilfsorganisation Oxfam an, um das unermessliche Vermögen des Microsoft-Gründers anschaulich zu machen. Unerschöpflich wäre wohl das korrekte Attribut. Denn in Wirklichkeit würde das Vermögen während dieser Zeit nicht schrumpfen, sondern weiter wachsen. Die Superreichen, das macht dieses Beispiel klar, müssen keinen Finger rühren, um ständig reicher zu werden. Oxfam präsentierte seinen jüngsten Bericht über die ungleiche Verteilung des Reichtums der Welt im vergangenen Februar ausgerechnet auf dem Weltwirtschaftsforum von Davos, wo die Entscheidungsträger der Wirtschaft sich jedes Jahr mit Politikern treffen. Die Tatsache, dass die Wirtschaftsbosse dort Oxfam-Direktorin Winnie Byanyima auftreten ließen, heißt noch nicht, dass sie deren Urteil teilen: "Das Ausmaß der globalen Ungleichheit ist einfach erschütternd". Aber ein gewisser Rechtfertigungsdruck scheint auch auf den Vertretern der Wirtschaft zu lasten.

Von 1980 bis zum Jahr 2002 nahm die Ungleichheit zwischen den Staaten stetig zu, so der Bericht. Seither habe sie sich durch den Aufstieg einiger Schwellenländer - allen voran China -etwas verringert. Gleichzeitig geht die soziale Schere innerhalb der Länder weiter auf. Sieben von zehn Menschen, so Oxfam, leben in Ländern, wo der Abstand zwischen Arm und Reich heute größer ist, als vor 30 Jahren. Und immer mehr Reichtum konzentriere sich auf eine Handvoll Familien. Anfang 2014 vereinten die 85 reichsten Menschen genausoviel Vermögen auf sich wie die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung. Dieses Vermögen vergrößerte sich von einem Jahr auf das andere um täglich 668 Millionen US-Dollar. An den Superreichen geht auch die Weltwirtschaftskrise weitgehend vorbei. Viele profitieren sogar davon: Die Zahl der Milliardäre hat sogar zugenommen. Selbst im subsaharischen Afrika, der ärmsten Region der Welt, wo 358 Millionen Menschen in nacktem Elend leben, tummeln sich laut dem Business-Magazin Forbes heute 16 Milliardäre.

Dass extreme soziale Ungleichheit letzten Endes auch den Reichen schadet, ist durch zahlreiche Studien belegt. Psychische Erkrankungen nehmen zu. Die Mordrate in Ländern mit extremer wirtschaftlicher Ungleichheit übertrifft die Häufigkeit von Tötungsdelikten in "normalen" Ländern um das Vierfache. 41 der 50 gefährlichsten Städte der Welt liegen in Lateinamerika, wo die Diskrepanz zwischen Arm und Reich besonders groß ist. Die verborgene Instabilität der syrischen Gesellschaft habe 2011 zur sozialen Explosion und letzten Endes zum Bürgerkrieg geführt, behauptet eine Studie der London School of Economics.

Pfeffersäcke und Kriegsgewinnler

Oxfam identifiziert zwei Kräfte, die das Zunehmen der Ungleichheit befeuert hätten: den Marktfundamentalismus und das Kapern der Politik durch die Eliten. Man denke an Angela Merkels Diktum von der "marktkonformen Demokratie". Oxfam appelliert an die Gesellschaft, gegen zunehmende Ungleichheit auf die Straße zu gehen und von Regierungen wie internationalen Organisationen eine Begradigung dieser Verhältnisse einzufordern. Zu den Forderungen gehören gleiche Bezahlung für Frauen, faire Besteuerung und Schließen von Steuervermeidungsparadiesen.

Ein Blick in die Geschichte zeigt, dass weder der Superreichtum noch die Methoden der Milliardäre neue Phänomene sind. Jakob Fugger (1459-1525), der erste Superreiche der Neuzeit, verstand es, die Fürsten auszunehmen, Konkurrenten auszutricksen und Kritiker einzuschüchtern. Das vom Vater geerbte Textilhandelsgeschäft in Augsburg war nur die Grundlage des sagenhaften Vermögens, das er im Laufe der Jahrzehnte anhäufen konnte. Als Vierzehnjähriger hatte er in Venedig die damals neue Kunst der doppelten Buchführung gelernt, die einen besseren Überblick über Soll und Haben ermöglichte, als die traditionelle Verzeichnung von Waren, Einnahmen und Ausgaben. Der Handel mit Tuchen war ein lukratives Geschäft in jener modebewussten Zeit. Doch Jakob Fugger erkannte als Leiter der Filiale in Innsbruck, dass der Weg zu großem Reichtum über den Bergbau, den Handel mit Metallen und den Geldverleih führte.

In Tirol regierte damals der Habsburger Sigismund, genannt der Münzreiche. Denn die reichen Silber-und Kupferminen des Landes spülten ein gewaltiges Vermögen in seine Kassen. Allerdings verstand der vergnügungssüchtige Fürst von Bergbau ebensowenig wie von Finanzen. Er soll 40 Kinder außerhalb des Gemachs gezeugt haben und verwickelte sich ständig in Kriege. Jakob Fugger streckte ihm das Geld für seine Abenteuer vor und verlangte statt Zinsen Anteile am ertragreichen Bergbaugeschäft. Binnen weniger Jahre hatte er sich ein Vorkaufsrecht über die Silber-und Kupfervorkommen des Landes gesichert -und damit auch eine wichtige Rolle in der Rüstungsindustrie. Als die Habsburger gegen die reiche Seehandelsstadt Venedig ins Feld zogen, war Fugger auf beiden Seiten engagiert.

Als Sigismund die Münzen ausgingen, trat er als Landesherr zurück und übergab Tirol an seinen Neffen Maximilian, der ökonomisch ähnlich unbedarft war und auch bald bei Fugger in der Kreide stand. Der "letzte Ritter" verbrachte seine Zeit mit Vorliebe auf der Jagd, auf Turnieren und bei der Falkenzucht.

Aber so, wie moderne Milliardäre ihr Gewissen mit philantropischen Werken erleichtern, entdeckte auch Jakob Fugger im Herbst seines Lebens sein Herz für die Armen. "Fuggerei" heißt eine der ersten Sozialsiedlungen der Welt. 67 Häuser mit 140 Wohnungen errichtete er für Obdachlose und Tagelöhner, die von ihrem Einkommen keine Bleibe finanzieren konnten. Sie zahlten eine Jahresmiete von einem Gulden. Die Fuggerei gibt es noch immer, und der Mietpreis hat sich in 500 Jahren nicht erhöht. Heute beträgt er 88 Cent.

Rezepte des Reichtums

Nähe zum Herrscher und Kaltblütigkeit - oft Skrupellosigkeit - sind ein sicheres Rezept zum Reichtum. Kriege sind meist nützlich. So begann der Textilhändler Nathan Meyer Rothschild aus Manchester während der napoleonischen Kriege mit Goldbarren zu handeln und wurde mit dem Transport von Geld für die Feldzüge Graf Arthur Wellingtons in Spanien und Portugal betraut. Dank eines auf Handelsbeziehungen aufgebauten privaten Nachrichtennetzes wusste er einen Tag vor der englischen Regierung von Napoleons Niederlage bei Waterloo und machte an der Börse ein Vermögen. Rothschild muss man zugute halten, dass er sich für Bürgerrechte einsetzte und durch Kredite für Entschädigungszahlungen an Plantagenbesitzer die Abschaffung der Sklaverei in den englischen Kolonien finanzierte. Aber seine Devise, "Kaufe, wenn Blut durch die Straßen fließt", hat auch heute noch Gültigkeit, "selbst wenn es dein eigenes ist".

"Anfang 2014 vereinten die 85 reichsten Menschen genausoviel Vermögen auf sich wie die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung."

Verteufelt reich

Sie werden bewundert für ihren Einsatz und ihren Erfolg. Aber zunehmend sind die Reichen die Buhmänner des Planeten, aufgestiegen aus dem Zwielicht halbseidener Geschäfte oder durch reines Glück auf den Finanzmärkten. Doch die Vermögensschere hat nicht nur mit Besitz und Besitzlosigkeit zu tun oder mit Neid. Sie droht auch das Netz der Demokratie zu durchschneiden.

Redaktion Oliver Tanzer

"Die einfachen Rezepte der frühen Superreichen: Die Nähe zum Herrscher und Kaltblütigkeit - oft Skrupellosigkeit -pflastern den Weg zum immensen Reichtum. Kriege sind meist nützlich."

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