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Krieg verloren, Frieden gewonnen

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KUKI. Roman von Gabor von Va sur y. Schweizer Druck- und Verlagshaus AG., Zürich. 387 Selten. Preis 22.8 DM. — EIN MANN MIT FAMILIE. Roman von Dieter Lattmann. Kindler-Verlag, München. 358 Selten. Preis 17.80 DM.

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KUKI. Roman von Gabor von Va sur y. Schweizer Druck- und Verlagshaus AG., Zürich. 387 Selten. Preis 22.8 DM. — EIN MANN MIT FAMILIE. Roman von Dieter Lattmann. Kindler-Verlag, München. 358 Selten. Preis 17.80 DM.

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Gabor von Vaszary, in München lebender ungarischer Schriftsteller und Maler, gibt uns mit seinem Roman „Kuki” das denkbar bunteste Bild der Zeit nach dem Weltkrieg. In der Ichform erzählt Irinyi, ein erfolgreicher Poet, wie er sich durch seinen Kollegen Pista verleiten läßt, kurz nach dem Ende des Krieges von seinem Pariser Wohnsitz ins besetzte Deutschland zu kommen. Hier begegnet er, Ungar wie Vaszary selbst, einem blutjungen Mädchen, Kuki. Sie ist aus Ungarn geflohen, ihre Angehörigen sind verschleppt, verschollen oder tot. Und mit dieser bezaubernden Kuki, die aus einem kindlichen Wesen allmählich zur Hausfrau und Dame aufsteigt, entsteht vor uns eine Figur, die der Leser ins Herz schließen muß, wie es uns einst mit Vaszarys entzückender „Mompti” ergangen ist. Deutschland bildet eine wahre Hölle, mit Drangsalen aller erdenklichen Art. Aus München, Salzburg und vom Wolfgangsee — „Schön bist du, Österreich!” — werden Kuki und Irinyi nach Frankreich, Spanien und’ Portugal verschlagen. Nur ein Romancier von hohem Range versteht es, wie sich uns hier erweist, den Reichtum seiner eigenen Erlebnisse mit einer überzeugend klaren Darstellung der Städte, der Länder, der unterschiedlichen nationalen Wesensarten und einer lebendigen, kurzweiligen Handlung zu einer echten Einheit zu verbinden. Und gar welcher überwältigende Gegensatz, wenn die vom Schicksal Umhergejagten in das von den Nachkriegsnöten befreite Deutschland zurückkehren! „Wir haben den Krieg verloren, aber den Frieden gewonnen.”

Dieses nach tiefstem Niedergang wieder aufsteigende Land bildet den Schauplatz des Romanes „Ein Mann mit Familie” aus der Feder des wie Vaszary in München lebenden Dieter Lattmann. Das Buch ist ein bezeichnendes Belegstück unserer Zeit. Das Persönliche der Handlung wird auf eine beträchtliche Zahl von Figuren aufgeteilt, die meisten bewegen sich im Umkreis eines großen Unternehmens, das Bücher und Zeitungen herausbringt und dreitausend Menschen Arbeit und Brot gibt. Der Vorhang geht noch vor dem zweiten Weltkrieg hoch, den schmerzlichen Ereignissen des Krieges folgt eine Zeit des mehr oder weniger bitteren Friedens, überschattet von der Sorge um die Atombombe. Aber es fällt dem Leser schwer, sich in dem Gewirr zurechtzuflnden, das Lattmann uns vorsetzt. Gegenwärtiges und Stücke aus der Vergangenheit wechseln ohne jede Grenze miteinander ab. Plötzlich stehen wir ahnungslos vor einer Icherzählung. Dann wieder spielt mit einemmal eine Dialogszene ins Epische hinein. Wir wollen annehmen, daß dieses Durcheinander das Ruhelose wiederspiegeln soll, das unserem friedlichen Leben nach wie vor anhaftet.

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