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Der nobilitierte Provokateur

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Guten Tag, Herr König, vielmehr Majestät, oder wie zum Teufel man sagt”, so hätte der italienische Gaukler und Autor Dario Fo sich gerne vorgestellt bei Karl XVI. Gustav von Schweden, hätten die Herren vom Nobelpreis-Komitee ihm schon 1975 den Preis verliehen. „Gibt's einen Preis für mich? Danke, welche Ehre für mein Land” hätte er dann sagen wollen. Aber die Gerüchte trogen damals, der Preisträger hieß Montale, Eugenio.

Fos Landsmann wurde für seine hermetische Lyrik geehrt und dem König blieb der Spott erspart. Nun sind die siebziger Jahre Italiens vorbei und Fo hat seine gerade begonnen. Alles ist ruhig, kein Terror, auch die Regierungskrise fast schon überwunden. Da freut sich auch ein „Flegel”, wenn er einen Preis bekommt. Ärgern sich die Leute darüber, umso besser. „Neben den Topf gepißt: was hat Dario Fo mit Literatur zu tun?” ätzt der Dramaturg Carmelo Bene, und das janus-köpfige Bestseller-Duo Fruttero & Lucentini sorgt sich um den .Zustand der Juroren: „Was ist mit diesen Schweden los, ein kollektiver Rausch mit Hilfe ihres exquisiten Wodka Absolut?” Hätten sie Stunk machen wollen in Italien, hätten sie es besser nicht anlegen können. Sogar der Osservato-re Romano lamentiert über die Dürftigkeit des sechsten Italieners unter den Laureaten: „Nach soviel Geist ein fahrender Spielmann”.

Die politische Rechte heulte besonders laut auf. „Nicht möglich: die Schweden sind nach 35 Jahren Sozialdemokratie vollends verblödet” kommentiert ein Parlamentarier von Rerlusconis Forza Italia. „Eine Relei-digung für die Kultur Italiens” meint ein Abgeordneter der Alleanza Nazio-nale, der ehemaligen Neofaschisten.

Fo hat freilich auch alles getan, sie zu vergrätzen. Vor allem die Faschisten, aber auch die Kommunisten attackierte er von links oben, und nicht zuletzt die Kirche. Er habe in sei nen Farcen stets nur die weltliche Macht der Kirche verhöhnt und manche Art, den Glauben aufzufassen, weist Fo heute den Aorwurf der Gotteslästerung zurück.

Ein bißchen platt sei er, sagen die Snobs, denen die feine Klinge abgeht, griffig nennen ihn jene, die ihm zugute halten, neue Zuschauerschichten fürs Theater erschlossen zu haben. Fo, der Anarchist, hat sich dabei immer weiter in die Isolation manövriert, positiv gesagt, in die Eigenständigkeit. Auf der Flucht vor dem herkömmlichen Theater- und Kulturbetrieb stand er plötzlich allein vor einer kahlen Wand. Das Erfolgsstück „Mistero Buffo”, das Fo im-Bollkragenpulli und ohne Schminke in allen Rollen seines heiteren Mysterienspiels nach mittelalterlichem Muster sah, wäre ohne diese Not nie entstanden.

Den Preis hätte er wohl auch nicht bekommen. „In der Tradition der mittelalterlichen fahrenden Spielleute hat er die Macht gegeißelt und die

Würde der kleinen Leute wieder hergestellt”, begründeten die Schweden ihren Spruch mehr moralisch als künstlerisch. „Geehrt wird die Schauspielzunft”, schloß Fo daraus und weist auf die Rolle seiner Frau und Mitarbeiterin hin: „Den Preis haben Franca Rame und ich gewonnen.” Die Punze „fahrender Spielmann” kränkt ihn nicht, im Gegenteil. Auch Shakespeare und Moliere haben ihre Stücke im Spielen erarbeitet und erst später aufgeschrieben, sagt er und erinnert an einen namhaftenKollegen: „Gott lebt und ist ein fahrender Spielmann, denn mit diesem Preis hat er einen Haufen Leute wütend gemacht.”

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