„Amerika, Du hast es besser!“ Ein leicht hingeworfenes Wort. Dazu sei vorerst einmal die Frage gestellt: Welches Amerika? Nordamerika oder Südamerika oder der ganze Kontinent? Viele verstehen unter „Amerika“ den ganzen Kontinent, aber der nördliche und der südliche Teil des Kontinents sind bekanntlich nicht nur klimatisch, sondern auch wirtschaftlich, bevölkerungspolitisch und kulturell zwei völlig verschiedene Welten. Vor dem zweiten Weltkrieg kam das auch heute noch interessante Buch von Kasimir Ed-schmidt „Glanz und Elend in Südamerika“ heraus. Inzwischen hat die Welt eine völlige Umgestaltung erfahren, aber Glanz und Elend sind geblieben. Nur in einem Punkte hatte es Amerika, Im ganzen gesehen, besser: es ist von der Kriegsfurie verschont geblieben. Aber sonst?
Hier soll einmal von Südamerika, noch eingegrenzter: von Chile die Rede sein. Man nehme die Landkarte und sehe sich diesen riesenlangen Strich an der Westküste Südamerikas an, und man wird trotzdem den Umfang dieses Strichs, die
Weite des Landes und, bedingt durch die Anden, auch seine Enge nicht im vollen Umfange begreifen. Die Unprqründlichkeit und zum Teil auch heute noch die Uner-forschTichkeit dringt erst dann ins volle Bewußtsein, wenn man einmal oder mehrere Male dieses Land vom Norden bis zum tiefen Süden bereisen konnte. Und unerforschlich und für den Europäer unerklärlich bleibt auch dann noch sehr vieles. Deshalb wohl haben wir augenblicklich in Chile zum Beispiel eine sehr interessante Erscheinung- der größte Teil der Einwanderer, die in den Jahren nach dem Kriege au« Westdeutschland nach Chile gekommen sind, haben — falls sie nicht zufälligerweise mit Glücksgütern gesegnet sind
— keinen sehnlicheren Wunsch, als i n das zerstörte und niedergeworfene Deutschland zurückzukehren. Zufrieden ist nur der Teil
— ein sehr kleiner Prozentsatz —, dem es im Laufe der Zeit gelungen ist, aus dem Innern der russischen Ostzone zu entfliehen und nach Südamerika zu gelangen. Wie kommt das?
