"Fackel"-TV- und verspieltes Lob

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Durch Zitat und Imitation entlarvte Karl Kraus die Sprache seiner Gegner. Des selben Kunstgriffes bediente sich letzten Sonntag die Dokumentation Karl Kraus - Die grellsten Erfindungen sind Zitate. Indem sie Formen des zeitgenössischen Infotainments nachahmte, wurde die im Rahmen der Nachtschicht Kultur gezeigte ORF-Produktion nicht nur ein Film über den wortgewaltigen Sprach-und Kulturkritiker, sondern eine satirische Attacke auf die heutige Medienwelt im Kraus'schen Geiste: Fackel-TV mit 90 Sekunden-Infohäppchen und gespielten Szenen.

Frederick Baker, Florian Scheuba und Thomas Maurer zeichneten verantwortlich für das "Lichtbildwerk" anlässlich des - schon einige Monate zurückliegenden - 70. Todestages von Karl Kraus. Anhand von Interviews, Originalbildern der legendären Kraus-Vorlesungen und Gesprächen zwischen dem "Optimisten" (Scheuba) und dem "Nörgler" (Maurer) - beide einst bekannte Kraus-Archetypen - zeichnete die Dokumentation ein Bild des enorm einflussreichen Publizisten, der Generationen deutschsprachiger Intellektueller prägte. Neben seinen noch heute schlüssigen Analysen, seinen zeitlosen Aphorismen und seinem literarischen Wirken (Die letzten Tage der Menschheit) kamen auch die Schattenseiten zur Sprache, etwa Kraus' haarsträubende Frauenfeindlichkeit.

Man könnte über die mitunter allzu verspielte Machart der Dokumentation streiten, aber in Zeiten wie diesen muss man froh sein, wenn das ORF-Fernsehen sich in qualitätsvoller Weise einem solchen Thema widmet. Doch das Lob, das ihm für die Produktion und Ausstrahlung dieser Dokumentation gebührt hätte, verspielte der ORF umgehend wieder: Ganz am Schluss hätte noch Karl Kraus selbst zu Wort kommen sollen - doch er wurde brutal vom Trailer der folgenden Sendung abgewürgt. Oft stellt die Realität die bitterste Satire mühelos in den Schatten.

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