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Blick in die Ostkirche

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Wenn man von der Ostkirche spricht, denkt man heutzutage meistens an die Probleme der Kirchentrennung, an ihre Ursachen und an die Möglichkeiten einer Wiedervereinigung. Man denkt aber meist nicht genügend daran, daß die Ostkirche — nach der Trennung ebenso wie vorher — in ihrer Liturgie, in ihrer uralten religiösen Dichtung, in ihrem von den Vätern geformten Denken kostbare Schätze der Überlieferung bewahrt hat. Diese auch wieder in unserem geistigen und religiösen Leben fruchtbar zu machen, ist nicht nur eine wertvolle Bereicherung unserer eigenen Geistigkeit, sondern zugleich der wirksamste praktische Beitrag zu einer Wiederannäherung und zur Anbahnung des gegenseitigen Verstehens. In diesem Geiste hat hier einer der besten Kenner ostkirchlicher Frömmigkeit verschiedene Texte ausgewählt — Festgesänge, Hymnen, Gebete und Predigten auf die einzelnen Feste — und sie an dem Leitfaden des Kirchenjahres aufgereiht und mit Erklärungen versehen, die teils die eigenartigen theologischen Gedanken in diesen Texten erläutern, teils den Sinngehalt der einzelnen Feste (soweit sie von unserem westlichen Brauch abweichen) dem Leser erklären. So öffnet sich in diesem kleinen Band ein ganz neuer Ausblick in eine den meisten nur vom Hörensagen bekannte Geisteswelt, und es entsteht ein wirkliches Betrachtungsbuch. Die Übersetzung ist rhythmisch und dichterisch wirksam, wenn auch das Bestreben, die Eigenart der Diktion zu möglichst starkem Ausdruck gelangen zu lassen, den Übersetzer zu bewußt fremdartiger Wortwahl verleitet, wie „aeonische“ und „pneumatische“ Freude (S. 21 und S. 48). Bedeutet das nicht im Urtext ganz einfach: „ewige Freude“ und „Freude im Geiste“? Manche östliche Sonderentwicklung ist vielleicht zu vorbehaltlos anerkannt. Das gilt nicht von der gewiß berechtigten Erörterung über das Filiogne (S. 88/89), wohl aber von der uneingeschränkten Verherrlichung des Gre-gorios Palamas (S. 31). Aber auch das kann nur das gegenseitige Verstehen fördern.

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