Kräuter Königskerze Verbascum - © Foto: B.Lehner

Kräuter: Am Gipfel der Sonnenkraft

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Mariä Himmelfahrt ist der Auftakt zur wichtigsten Kräutersammelzeit des Jahres. Viele Heilpflanzen haben jetzt die meisten Wirkstoffe. Beim traditionellen Kräuterfest im Nationalpark Thayatal wird jahrtausendealtes Wissen und Brauchtum lebendig gehalten.

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Mariä Himmelfahrt ist der Auftakt zur wichtigsten Kräutersammelzeit des Jahres. Viele Heilpflanzen haben jetzt die meisten Wirkstoffe. Beim traditionellen Kräuterfest im Nationalpark Thayatal wird jahrtausendealtes Wissen und Brauchtum lebendig gehalten.

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Der Morgen beginnt mit einer Kräuterwanderung. Danach lockt der Marktplatz mit Likören, Handwerkskunst und würzigen Produkten. Wenn später der „Kräuterpfarrer“ Benedikt zur Kräuterweihe schreitet, wird zu Mariä Himmelfahrt eine jahrtausendealte Tradition gepflegt. Der Geistliche aus dem Stift Geras sowie andere Kräuterkundige und Interessierte versammeln sich am 15. August beim Nationalparkhaus Thayatal, um das traditionelle Kräuterfest zu feiern. Das damit assoziierte Brauchtum lässt sich vielleicht sogar bis in die Jungsteinzeit zurückverfolgen. In den Alpenländern ist es bis heute lebendig, denn noch vielerorts wird jetzt ein „Kräuterbuschen“ bzw. „Weihbüschel“ in die Kirchen gebracht. Laut Überlieferung sollte es aus neun, manchmal auch sieben oder gar 77 Heilpflanzen bestehen. Oft ist eine blühende Königskerze (Verbascum) in der Mitte platziert: Im Volksglauben gilt der strahlend gelbe Rachenblütler als Zepter der Mutter Gottes. Auch die Schafgarbe, der Beifuß und das Liebstöckel prägen das Büschel, umwunden von Kamille, Thymian und Labkraut.

Schafgarbe: Medizin und Magie

„Jetzt haben die Heilpflanzen die größte Kraft“, sagt Barbara Obmann im Gespräch mit der FURCHE. „Dass viele Pflanzen im Spätsommer die meisten Wirkstoffe haben, ist auch wissenschaftlich nachgewiesen. Ausgenommen sind die Johanniskräuter, die traditionell bereits zur Sommersonnenwende gepflückt werden.“ Während moderne Medikamente nur aus ein oder zwei Wirkstoffen bestehen, enthalten Heilpflanzen bis zu 300 aktive Stoffe, woraus eine komplexe Wirkung erwächst. Zudem ist ihre Wirkstoff-Zusammensetzung je nach Wetter, Standort oder Jahreszeit unterschiedlich.

Die Kräuterexpertin, die u. a. an der Akademie für Traditionelle Europäische Medizin (TEM) studiert hat, wird bei der Veranstaltung im Thayatal ein „Kraut der Lebenskraft“ vorstellen: die Schafgarbe. „Man findet sie an Weg- und Waldrändern, auf Wiesen und in Weingärten“, so die 51-Jährige. „Die Schafgarbe zählt zu den ersten Gewächsen, die ein Gebiet besiedeln. Als ‚Pionierpflanze‘ ist sie genügsam und resilient. Geerntet wird vor allem der Blütenstand.“ Wie viele andere Kräuter hat die Schafgarbe eine jahrtausendealte Kulturgeschichte: Zur Befragung von „Liebesorakeln“ erfüllte sie einst eine magische Funktion. Ihr medizinischer Wert war bereits im Altertum bekannt, als sie zur Wundheilung und Blutstillung verwendet wurde. Bei „gefährlichen Berufen“ wie Kriegern oder Schmieden war sie ein ritueller Begleiter, berichtet Barbara Obmann, die ihre „entschlackende und harmonisierende“ Wirkung zu schätzen weiß: „Ich liebe den feinen würzigen Geschmack, wenn man sie wie Petersilie auf die Kartoffeln streut. Auch für Aufstriche ist sie großartig.“ Zubereitungen gibt es viele: z. B. als Gewürz, Tee oder Tinktur.

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