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Das Schöne sehen

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Theologie bedarf der Selbstkorrektur. Bei dieser Selbstkorrektur fordert Eugen Biser als erstes „die Einholung der Sozialdimension“ (siehe letzter Beitrag), als zweites „die Einholung des Ästhetischen“. Theologie sei

— speziell unter dem Druck und in Konkurrenz zu den Profanwissenschaften — zu abstrakt und gegenstandslos geworden, „so daß sie nunmehr in Verdacht steht, durch die Übertreibung des Methoden- und Systeminteresses ihre ureigene Sache verloren zu haben“. Die Abspaltung des Ästhetischen und der Bildverlust der Theologie hätten verhängnisvolle Folgen.

Als wichtigsten Vertreter und Zeugen der Selbstkorrektur einer einseitig theoretisch-begrifflichen Theologie nennt Eugen Biser Urs von Balthasar mit seinem Hauptwerk — einer Trilogie: .Herrlichkeit“, „Theodramatik“, „Theologik . Urs von Balthasar vertritt eine bildhaft-metaphorische Theologie und bekennt sich zur .Aufgabe, die Theologie aus den bisher vorherrschenden Perspektiven des Wahren und Guten in eine dritte unter dem Gesichtspunkt des Schönen zu überführen“.

Bei dieser „Sinholung des Ästhetischen“ geht es darum

— was schon Romano Guardini versuchte —, die Augen für „heilige Zeichen“ zu öffnen, die Welt in „Spiegel und Gleichnis“ zu sehen, die Bedeutung von Bildern, „die Wahrheit zum Vorschein bringen“, zu erkennen, das Schöne als die Manifestation des Wahren zu sehen.

,X>enn unter den Gesichtspunkt des Schönen gestellt, beginnt die Wahrheit durch sich selbst zu leuchten und .einzuleuchten'... weil sie die Wahrheit des sich zeigenden Gottes ist, die den Blick des suchenden Menschen auf sich zieht“ (Eugen Biser).

Wichtig sind in solcher Theologie auch Personen, „als Prismen, in denen die Herrlichkeit der Offenbarungsgestalt in immer neuen Brechungen aufscheint“. Auch der Gedanke des „göttlichen Spiels“, an dem der Mensch aktiv beteiligt ist, ist ein wichtiger Gesichtspunkt.

In einer solchen Theologie bekommen auch Literatur, Musik, Malerei und bildende Kunst einen anderen Stellenwert. Sie sind nicht bloß Illustration theologischer Aussagen, sondern selbst „theologische Erkenntnisquelle“ und Inspiration zu einem lebendigen Glauben.

In einer Theologie, die das Ästhetische einholt, hat das Schauen einen Vorrang vor • dem Hören und erst recht vor dem Lesen. Und es soll alles unternommen werden, um den von Idolen und Trübungen verstellten Blick frei zu machen und die Augen — die Augen des Glaubens-zu öffnen.

21. Teil einer Serie zum Buch „Die glaubensgeschichtliche Wende“ von Eugen Biser.

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