6892966-1979_51_27.jpg
Digital In Arbeit

Das soziale Loch

Werbung
Werbung
Werbung

Das Netz der sozialen Sicherheit sei schon so dicht, daß man dem Staatsbürger künftig mehr Eigenverantwortung aufbürden könne, ist eine der gängigen, staatsmännisch klingenden Ausreden für den Abbau von Sozialleistungen, den in Wahrheit das Diktat der leeren Kassen erzwingt.

Das Netz der sozialen Sicherheit ist aber zumindest höchst ungleich gesponnen: Während es an manchen Stellen unnötig dicht ist (Stichwort: Ubersozialisierung),

weist es an anderen Stellen höchst gefährliche, unerwartete Löcher auf. Wer meint, daß unser kostspieliges System der sozialen Sicherheit für alle Lebenslagen vorsorgt, ist auf dem Holzweg. Absolut unversorgt bleibt beispielsweise, wer in seiner Freizeit - sei es beim Autofahren, sei es beim Skifahren - einen Unfall erleidet, der zu dauernder Invalidität und Berufsunfähigkeit führt, und keine private Unfallversicherung eingezahlt hat. Es passieren zwar bereits doppelt soviele Freizeitunfälle (nämlich 490.000 pro Jahr) als Arbeitsunfälle, die gesetzliche Pflichtversicherung deckt indes nur letztere.

Da den fünf Millionen in die gesetzliche Unfallversicherung einbezogenen Österreichern nur 3,3 Millionen private Unfallversicherungsverträge gegenüberstehen, wird man mit einiger Berechtigung annehmen dürfen, daß eine gute Million potentieller Unfallopfer ihre Freizeit unversichert, teilweise aber höchst gefährlich verbringt. Zum Großteil wahrscheinlich, ohne sich dessen bewußt zu sein.

Ähnlich verhält es sich dort, wo es um die Haftung für verschuldete Freizeitunfälle, so z. B. die Folgen einer Kollision beim Skifahren geht. Ein simpler Beinbruch kann den Arbeitslohn vieler Jahre aufzehren, wenn die Krankenversicherung des Unfallopfers (auch die gesetzliche tut das!) die Heilungskosten einklagt

Daß die Folgen im Haft pflichtbereich in der Praxis etwas gemildert sind, ist einem „Zufall“ zu verdanken: Dem Umstand nämlich, daß rund vier Fünftel aller Haushalte über eine Haushaltsversicherung verfügen und in diese Haushaltsversicherung automatisch eine private Haftpflichtversicherung mit eingeschlossen ist.

Diese Ausführungen sollen keinesfalls als Hilferuf oder Aufruf an den Staat verstanden werden, auch das noch zu regeln. Im (guten!) Sinne der Eigenverantwortung sollte jeder für sich die seinem Freizeitverhalten und seinem Vermögen entsprechende Vorsorgevariante (sei es eine Versicherung, sei es eine Kapitalanlage in welcher Form auch immer) wählen können.

Alle gut gemeinten Aufklärungskampagnen der Versicherungwirtschaft laufen aber Gefahr, für einen üblen Geschäftstrick gehalten zu werden, solange uns unsere Sozialpolitiker vorgaukeln, ohnehin von der Wiege bis zur Bahre in ihrem Schoße geborgen zu sein.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung