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Der Streit um das Turiner Grabtuch geht weiter

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„Betrug am Turiner Grabtuch" - so qualifiziert der Jesuit Werner Bulst, jahrzehntelang mit allen Details der Forschung zur „Sindo- ne di Torino" vertraut, in einem neuen Buch das im Oktober 1988 veröffentlichte Ergebnis des mit Spannung erwarteten Radio- carbon-Tests (FURCHE 42/1988).

Dieser Test, an drei verschiedenen Stätten mit je einem Stück aus dem Grabtuch (das nach wie vor viele für das Leichentuch Jesu Christi halten) und Kontrollstücken aus anderen Zeiten und anderen Ob- jekten durchgeführt, ergab be- kanntlich, daß das Tuch aus der Zeit zwischen 1260 und 1390 stammt.

Bulst ist einerseits nicht davon überzeugt, daß ein Radiocarbon- Test absolut verläßlich ist, und führt zweitens mit Hilfe einiger Indizien (zum Beispiel Abweichungen bei den Gewichtsangaben der Gewe- beproben) ins Treffen, daß die Test- stüeke vertauscht worden sein dürften. Das kann er zwar nicht beweisen, aber er weiß vermutlich gut, daß man ihn auch nicht wider- legen kann - außer durch neuerli-

che umfangreiche Untersuchungen am Grabtuch. Dessen Rätsel sind j a durch die umstrittene Radiocarbon- Altersbestimmung keineswegs ge- löst, zumal viele Wissenschaftler unterschiedlicher Disziplinen (von der Botanik bis zur Kunstgeschich- te, von der Medizin bis zur Mün- zenkunde) beste Gründe dafür ha- ben, die Entstehung des Tuches im Palästina des ersten nachchristli- chen Jahrhunderts anzusiedeln.

Erst vor wenigen Wochen haben die Teilnehmer eines Grabtuch- Kongresses in Cagliari (Sardinien) beklagt, daß nicht alle Details über den Carbon-Test publiziert wur- den, und an Papst Johannes Paul II. appelliert, neue Untersuchungen am Grabtuch zu gestatten. Der Papst - seit 1983 Eigentümer der „Sindone di Torino", die vorher dem italienischen Königshaus Savoyen gehörte - soll vatikanischen Quel- len zufolge geneigt sein, neuen Tests zuzustimmen.

BETRUG AM TURINER GRABTUCH. Der manipulierte Carbontest. Von Werner Bulst. Verlag Josef Knecht, Frankfurt am Main 1990, kart., 64 Seiten, öS 140,40.

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