Es heißt, die junge Generation habe vor dem Alter nur Respekt beim Wein, beim Whisky und bei den Möbeln. Das stimmt sicher nicht. Woher käme sonst das Interesse, das gerade junge Menschen den öffentlichen Auftritten von Kardinal König, Rudolf Kirchschläger und Bruno Kreisky entgegenbringen?
Vielleicht liegt es einfach daran, daß die sich erinnern.
Kardinal Franz König sprach vor kurzem im übervollen Großen Minoritensaal in Graz und erinnerte daran, daß Europa geistig einmal eine Großmacht war. Rudolf Kirchschläger widersprach jüngst, auch in Graz, der pauschalen Verunglimpfung der Österreicher als „gesinnungsschwache Phäaken“ und rief in Erinnerung, daß es in keinem Land so wenig gesellschaftspolitische Rückversicherer gegeben habe wie bei uns in Osterreich während der Besatzungszeit. Kirchschläger wies auch auf die österreichische Asylpolitik hin und auf die Öffnung der Grenzen beim Ungarnaufstand 1956.
Rudolf Kirchschläger meinte auch, daß uns 1945 bis 1955 niemand ,jan Standhaf-tigkeit und Klugheit“ übertroffen habe. Immerhin hätten bei den Wahlen im November des Jahres 1945 mehr als 95 Prozent der Stimmberechtigten für die beiden großen demokratischen Parteien votiert. In der CSSR dagegen wählten bei den Wahlen 1946 36 Prozent die Kommunistische Partei.
Bruno Kreisky wiederum erinnerte bei einem Bericht „Zur Lage“ im vollen Salzburger Konzerthaussaal an die Verdienste Franz Olahs bei der Abwehr kommunistischer Machtansprüche in Ostösterreich.
Die Alten erinnern sich. Und das ist gut so. Denn allzuviel gerät allzurasch in Vergessenheit. Der Weg der Erinnerung ist freilich keine Einbahnstraße. Man kann dabei auch auf unliebsames Geröll stoßen, dessen Ignorierung unversehens bewirkt, daß es zur Sperre für die Zukunft wird. Denn ob es uns paßt oder nicht: Irgendwie gehören unsere Vergangenheit und unsere Zukunft zusammen.
