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Redlichkeit macht Karriere

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Er schielt nicht nach Beifall, wenn es um das offene Wort geht, wenn er aufruft, „die Sümpfe trockenzulegen” und „die sauren Wiesen noch dazu”.

Er scheut nicht die Pfiffe, kümmert sich nicht um Popularität, wenn es gilt, für den Schutz des Lebens Partei zu ergreifen. Den Wehr- und Schutzlosen gilt vielmehr seine besondere Zuwendung.

Rudolf Kirchschläger, am 23. Juni 1974 mit einem Stimmenanteil von 51,7 Prozent zum Bundespräsidenten gewählt, und am 18. Mai 1980 mit 79,9 Prozent für eine weitere Funktionsperiode in dieses Amt berufen, feiert an diesem 20. März seinen 70. Geburtstag.

Eine Wahl als Vertrauensvorschuß, als Chance und Aufgabe, sich diesem Vertrauen als würdig zu erweisen: Rudolf Kirchschläger kann damit allen im öffentlichen Leben ein Vorbild sein.

Dieses Vertrauen wollte aufgebaut werden, nicht nur als Bundespräsident, nicht nur einmal in seinem Leben: Als der junge Bezirksrichter 1956 die Nachfolge Stephan Verostas als Leiter der Völkerrechtsabteilung antreten sollte, war es der damalige Staatssekretär Bruno Kreisky, der ihm mit skeptischem Mißtrauen begegnete.

Der Aufstieg des in ärmlichen Verhältnissen geborenen Rudolf Kirchschläger vom Gemeindesekretär zum Bezirksrichter, vom Bundeskanzleramt ins Außenministerium, vom Beamten zum Gesandten, vom Außenminister zum Bundespräsidenten, in ein Amt also, das wie kein anderes vom Protokoll bestimmt ist: diese sieben Jahrzehnte des Lebens sind in ihm lebendige Zeitgeschichte.

Vieles hat sich verändert, nur Rudolf Kirchschläger ist Mensch geblieben, einer der für alle da ist.

Seine Menschlichkeit und Redlichkeit, seine vornehme Zurückhaltung und Gelassenheit, sein gewachsener Glaube, aus dem er Zuversicht schöpft, haben das Amt geformt. Und das ist schon etwas in einer Zeit, in der zumeist das Amt den Menschen formt.

Rudolf Kirchschläger ist keiner von den Lauten, die auf sich aufmerksam machen müssen, um nicht übersehen zu werden. Er ist einer der Stillen, die gewissenhaft sind, weil sie Gewissen haben. Er ist als Bundespräsident nicht nur Wächter, sondern Mahner. „Für Rudolf Kirchschläger ist das Amt des Bundespräsidenten im Laufe der Jahre gleichsam zum maßgeschneiderten Anzug geworden” (Manfred Welan).

Kirchschläger ist ein Mann, für den Vergangenheit und Familie eine Heimstatt sind, ein Mann, den die Zeit gelehrt hat, „maßvoll zu bleiben”.

Anschaulich, aber informativ, wohlwollend, aber nicht beschönigend, schildert der Journalist Marco Schenz in einer im Böhlau-Verlag erschienen Biographie den Lebensweg des Bundespräsidenten. Es ist ein Geschichts- und Geschichtenbuch, dessen Bogen sich vom Ersten Weltkrieg bis in die Gegenwart spannt: das österreichische Schicksal, verbunden mit dem Schicksal des nunmehr ersten Bürgers im Land.

Und im 40. Jubiläumsjahr der Republik wird Kirchschläger wohl auch daran zurückdenken, daß er ohne Gottes schützende Hand ihr Wiedererstehen wohl nicht mehr erlebt hätte: Obwohl nach der schweren Verwundung 1943 noch rekonvaleszent, wurde er am 1. April 1945 abermals schwer verletzt.

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