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Die Kraft zum Widerstand

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Es ist an der Zeit, den Naturwissenschaften einen ihnen gebührenden Platz einzuräumen, und zwar jenen, der sich nicht vor, sondern neben, sogar hinter anderen Gegebenheiten befindet, welchen wir auch und vielleicht sogar vorzüglich gestatten sollen, unser Leben zu bestimmen.

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Es ist an der Zeit, den Naturwissenschaften einen ihnen gebührenden Platz einzuräumen, und zwar jenen, der sich nicht vor, sondern neben, sogar hinter anderen Gegebenheiten befindet, welchen wir auch und vielleicht sogar vorzüglich gestatten sollen, unser Leben zu bestimmen.

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Das ist die Quintessenz eines Buches, das Beachtung verdient. Naturwissenschaften sagen das Richtige, weil die Technologien, die auf ihnen basieren, funktionieren. Das ist die gängige Meinung und verschafft den Naturwissenschaften einen ihnen gänzlich unangemessenen, das moderne Leben bestimmenden, viel zu angesehenen Platz in der Welt unserer Tage. Die Schäden an Leib und Seele des Menschen, die durch diese Tatsache hervorgerufen werden, sind unermeßlich.

Der moderne Mensch nimmt allzuoft widerspruchslos seinen, ihm von den Naturwissenschaften vorgeschriebenen, unbedeutenden und vor allem einsamen Platz in einem kälten, feindlichen All ein, und er resigniert. Es ist sonderbar, daß die Kraft zum Widerstand den Theorien vor allem der Physiker unserer Tage entstammt. Beginnend mit der Quantentheorie führt ein Weg über die Unschärferela-tion Heisenbergs bis zu den Prinzipien in der Folge der „Large Number Coincidence” eines Dirac oder Dicke, welche die „Anwesenheit” des Menschen zumindest im Moment des Urknalls (der mit dem Schöpfungsbeginn ident sein mag oder nicht) aufgrund rein naturwissenschaftlicher Überlegungen einfach voraussetzen müssen.

Ganzheitsanspruch

Die Chaostheorie mit ihrer postulierten Unvorhersagbarkeit, daher auch Unkontrollierbarkeit großer Bereiche unserer Welt tut ein übriges, und man erkennt plötzlich, daß dem, mit dem Beginn der Neuzeit einsetzenden und seither ins Unermeßliche gestiegenen Ganzheitsahspruch der Naturwissenschaften das alltäglich erfahrene, spirituelle So-Sein des Menschen entgegengesetzt werden kann und muß. Der Autor entwickelt einen Weg, auf dem der Einzelne für sich, aber damit auch für die Welt, den sich selbst vergöttlichenden Naturwissenschaften einen ihnen gebührenden Platz, und das heißt einen nicht vordringlichen, zuweisen wird. Dem Buch ist größtmögliche Verbreitung zu wünschen. DER HALBIERTE MENSCH. Die Naturwissenschaften und die Seele des modernen Menschen. Von Bryan Appleyard. Aus dem Englischen von Barbara Wolter. Kindler Verlag, München 1992.352 Seiten, öS 328,-

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