6763039-1968_23_03.jpg
Digital In Arbeit

Die informierte Gesellschaft

19451960198020002020

In der „Furche" vom 30. Marx 1968 habe ich auf die Möglichkeiten des Bildungsfernsehens hingewiesen. Andere vertreten die Ansicht, dafj die Informationsinflation, welche Funk, Film und Taschenbuch in unseren Tagen mit sich bringen, alteingesessene Institutionen, wie etwa auch die Volkshochschule, überflüssig machen. Wenn man den Artikel „Kulfurnotstand wie nie zuvor" in der „Furche" liest, welcher die möglichen Abstriche aus dem Kulturbudget 1969 besonders bei den nicht gesetzlich fesfgelegten Subventionen in Betracht zieht, gäbe es eine einfache Schlußfolgerung: Wozu noch Geld für die Volkshochschule, die bäuerliche, die katholische und die evangelische Erwachsenenbildung verschwenden!

19451960198020002020

In der „Furche" vom 30. Marx 1968 habe ich auf die Möglichkeiten des Bildungsfernsehens hingewiesen. Andere vertreten die Ansicht, dafj die Informationsinflation, welche Funk, Film und Taschenbuch in unseren Tagen mit sich bringen, alteingesessene Institutionen, wie etwa auch die Volkshochschule, überflüssig machen. Wenn man den Artikel „Kulfurnotstand wie nie zuvor" in der „Furche" liest, welcher die möglichen Abstriche aus dem Kulturbudget 1969 besonders bei den nicht gesetzlich fesfgelegten Subventionen in Betracht zieht, gäbe es eine einfache Schlußfolgerung: Wozu noch Geld für die Volkshochschule, die bäuerliche, die katholische und die evangelische Erwachsenenbildung verschwenden!

Werbung
Werbung
Werbung

Die Volkshochschule der Jahrhundertwende hatte die Aufgabe, den Nachholbedarf der schulmäßig weniger privilegierten Schichten, also vor allem der Arbeiter in den Städten, zu decken. Man glaubte in jener Zeit, daß Wissen Macht sei, und so wurde die Volkshochschule vielfach auch zu einem Instrument des Bildungsaufstiegs der Arbeitereliten.

Spätestens seit dem Schulreformwerk von 1962 ist diese Aufgabe weitgehend obsolet geworden. Jeder Bildungswillige kann die höheren Schulen und Hochschulen besuchen. Finanzielle Gründe sollten kein wesentliches Hindernis mehr sein. Das Problem der Aktivierung aller Talente aus allen Bevölkerungsschichten — also auch der Bauern- und Arbeiterkinder — ist heute nur noch gegen den oft mangelnden Bildungswillen von Elternhaus und Jugend und die milieubedingten Schwierigkeiten zu überwinden.

Die Volkshochschule hat aber schon seit 1945 diesem Wandel der Bildungsstruktur Rechnung getragen. Das Ziel der reinen Wissensvermittlung als Hauptaufgabe ist in den Hintergrund getreten. Mehrere Hauptfunktionen hat die Volkshochschule seit damals übernommen, welche allerdings zum großen Teil von den Massenkommunikationsmitteln nicht oder zumindest nur sehr beschränkt ersetzt werden können.

Ein gewandeltes Weltbild

Der sich rapid vollziehende Wandel des Wissenschaftsbildes von Natur und Gesellschaft, des Menschenbildes und das wachsende Unverständnis des Mikro- und Makrokosmos stellt den heutigen Menschen vor eine neue Aufgabe: Wenn er nur halbwegs ein Verständnis dieser immer komplizierter werdenden Welt gewinnen will, kann er nicht mit dem Wissen auskommen, das er in seinen Jugendtagen oder in den dreißiger Jahren erworben hat. Ein drastisches Beispiel ist die Definition des Atoms, welches noch nach 1945 in den Schulbüchern als die kleinste, unteilbare Einheit bezeichnet, wurde.

Die Volkshochschule ist damit heute nicht eine Anstalt zur Deckung des Nachholbedarfes unzureichend gebildeter Schichten geblieben, sie hat die Aufgabe jener „education permanente“ übernommen, die zum Gebot der Stunde wurde. Dauernde Weiterbildungsmöglichkeiten für alle Erwachsenen ist ein Ziel von UNESCO und Europarat. Es kann nur durch eine bedeutende Erwei- teruhg der organisierten Erwachsenenbildung erfüllt werden, für welche die Gesellschaft die finanziellen Mitteln aufbringen muß.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung