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Eine Neugründung im Volksbildungswesen

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Nikolai Frederik Severin Grund tvig, der in Dänemark und weit über die Grenzen seiner Heimat als Volksbildner und Theologe tätig war, schuf einen Typ der Volkshochschule als Institut der Erwachsenenbildung, übe'r den die „Furche" bereits in ausführlicher Darstellung orientiert hat (vgl. „Die Furche", 20. Juli 1946, „Die hohen Schulen des Volkes"). Heute bestehen in Dänemark 54 solcher Volkshochschulen. die auf große Erfolge zurückblicken vermögen.

Nun unternehmen auch in Österreich Freunde der Grundtvigschen Grundsätze diese Art der

Volksbildung. Nach dänischem Muster soll eine Volkshochschule mit einem Internat gegründet werden, in dem reife Menschen beiderlei Ge schlechtes, die in ihrer Charakterbildung bereits gefestigt sind, durch Vermittlung sorgfältig ausgewählten Wissensgutes zur edler Menschlichkeit geleitet werden. Über diese Bil- dungs- und Lehrmethoden sprach kürzlich in der Wiener Urania Direktor T e s a r. wobei er darauf hinwies, daß durch sie das Unmittelbare, das Erlebnis, also die Begegnung im Unterricht gepflegt werden sollte. Durch diese seelischen Erschütterungen sollen die Lernenden vor allem aufgerüttelt werden und so wäre es möglich, daß der dem Chaos nahestehende Mensch der Gegenwart zum „Du“ und ,,Ihr“ und zu sich selbst, zur Natur und zu Gott finde. Freilich stelle sich die Zerklüftung unserer Tage diesem Ziele hemmend entgegen und Gruppen, Parteien und Weltanschauungen vertiefen das Trennende. Hier habe die Grundtvig- Volkshochschule mit ihrer Nacherziehungsarbeit einzusetzen und die ihr anvertrauten jungen Menschen aus allen sozialen Schichten und Berufen so zu formen, daß die ehrliche Überzeugung des Nächsten geachtet werde und daß sich jeder bemühe, den Standpunkt des andern zu verstehen. Duldung und brüderliches Ernstnehmen des andern seien aber die Voraussetzung jeder demokratischen Gesellschaft, So werde diese neue Volkshochschule keine Stätte des Hasses sein, denn Haß sei die Aufhebung jeder Logik und Ordnung.

In der Praxis sollen nun aus allen Bundesländern junge Männer und Frauen, vorwiegend aus dem Bauern- und Arbeiterstande, in diese Schule geführt werden. Die jungen Menschen, die bereits über eine innerlich gefestigte Lebensanschauung verfügen, dürfen — wird gesagt — in ihrem Wesen nicht verändert, sondern vertieft und veredelt werden. Das erstrebte Ziel soll darin gesehen werden, Gemeinsames aus den verschiedenen Geisteswelten aufzuzeigen und alles menschliche Streben auf die gemeinsamen Grundlagen der abendländischen Kultur zurückzuführen. Dabei müsse aber auch beachtet werden, daß dem religiösen Erlebnis nach Grundtvig eine besondere Aufgabe zukomme. Den Lehrkräften habe deshalb ein tiefes Feingefühl und ein weitgehendes Verständnis für die zu betreuenden Menschen eigen zu sein, denn mit ihrem Verantwortungsbewußtsein stehe und falle dte neue Volkshochschule. Nicht minder wichtig ist aber auch die Wahl des Leiters einer solchen Schule, der nur dann seiner schönen, aber schweren Aufgabe entsprechen kann, wenn er als Volksbildner in seinem Denken, Handeln und Leben die Grundtvigschen Erziehungsideale, die ihre Kraft in Dänemark erwiesen haben, selbst beispielgebend verkörpert. Es darf hier auch daran erinnert werden, daß in Österreich zu St. Martin und Hubertendorf — gegenwärtig provisorisch im Mathildenheim bei St. Margarethen ob Leoben — bewährte Stätten bäuerlichen Fortbildungswesen geschaffen worden sind, die hohen Rang erreicht haben Es wird zu erwägen sein, inwieweit der neue Plan mit den bestehenden Einrichtungen und vor allem mit den Grundsätzen christlicher Pädagogik in Übereinstimr-’j-- rächt werden kann.

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