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Doch wie im Film

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Mit gemischten Gefühlen haben die Italiener die Veröffentlichung des 1262 Seiten starken Untersuchungsberichtes der parlamentarischen Kommission zur Bekämpfung der Mafia auf Sizilien zur Kenntnis genommen. Daß diese Publikation der 1968 eingesetzten sogenannten „AntiMafia-Kommission“ so lange auf sich warten ließ und ausgerechnet nach den Parlamentswahlen erfolgte, gibt zu denken. Es ist ein offenes Geheimnis, daß die Ergebnisse dieses Rechenschaftsberichtes schon seit langem vorlagen, die Kommissionsmitglieder — fast ausnahmslos Politiker — aber ihre Gründe hatten, sie erst jetzt bekanntzugeben. Wahrouicuuiui iiaiicii uic uianei igen x\cgierungsparteien — besonders Demo-crazia Cristiana und Linkssozialisten — im Urnengang vom 7. Mai nicht so gut abgeschnitten, wenn vorher bekanntgeworden wäre, was man damals lediglich vermutete und befürchtete.

Wer im dicken Band des Rechenschaftsberichtes der Anti-Mafia-Kommission nach etwas bisher Unbekanntem von Bedeutung sucht, wird bitter enttäuscht. Der Bericht führt des langen und breiten aus, wie die Mafia sich von der „ehrenwerten Gesellschaft“ der im Kampf gegen die arabischen, spanischen, franzosiscn-DOurDoniscnen rremanerr schaften stehenden Sizilianer zu: modernen Verbrecherorganisatioi entwickelt hat, die heute nicht meh: nur mit dem Luparagewehr unbot mäßige Schafhirten kaltstellt, son dem es meisterhaft versteht, ihr Diktate mit modernsten Waffen um Einschüchterungsmitteln aller Ar — Erpressung, Bestechung, direkt Bedrohung — besonders im Bauge werbe, Gemüsehandel, Kreditweser: in der Gemeinde-, Provinz- und Re gionalverwaltung, und schließlid auch außerhalb der Insel in verschie denen Wirtschaftsbereichen und de Staatsverwaltung durchzusetzen.

All dies ist jedoch schon längst be kannt und neu ist lediglich der Um stand, daß durch Veröffentlichun; das ganze schwere Eingeständnis de Existenz und Bedeutung der Mafi; einen offiziellen Charakter erhall also nicht mehr nur Gegenstand voi Romanen, Filmen und mehr ode minder tendenziösen wissenschaftli chen Untersuchungen ist.

„Mamma Santissime“

Daß die Anti-Mafia-Kommissio! es kaum drei Wochen nach einen weiteren, für das Establishment nich ungünstig verlaufenen Urnengan! nicht wagt, mit neuen kompromittie' renden Namen herauszurücken unsich hinter allgemeinen Beschreibungen verschanzt, mit denen niemanc viel anzufangen weiß, läßt vermuten daß es die Mafia-Bosse, die söge nannten „Mamma Santissime“, verstanden haben, sich in der AntiMafia-Kommission Geltung zu ver schaffen, und sei es auch nur, daß si( deren Mitglieder direkt oder indirek unter Druck setzten, „nicht über Ge bühr aus der Schule zu plaudern“ Bekanntlich wurden im Laufe dei letzten vier Jahre einzelne Angehörige der Anti-Mafia-Kommission bedroht, und es soll vor Monaten belastendes Material aus ihren Regaler verschwunden sein.

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