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Ein Provisorium macht Karriere

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„Ein Fall für den Volksanwalt?“ Diese neue TV-Sendung läuft ab 27. Oktober jeden Samstag ab 19.50 Uhr im 2. Fernsehprogramm. In den zur Verfügung stehenden 25 Minuten werden gemeinsam mit den drei Volksanwälten Fälle von sozialer Härte, bürokratischer Willkür und andere Benachteiligungen einzelner Bürger aufgegriffen.

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„Ein Fall für den Volksanwalt?“ Diese neue TV-Sendung läuft ab 27. Oktober jeden Samstag ab 19.50 Uhr im 2. Fernsehprogramm. In den zur Verfügung stehenden 25 Minuten werden gemeinsam mit den drei Volksanwälten Fälle von sozialer Härte, bürokratischer Willkür und andere Benachteiligungen einzelner Bürger aufgegriffen.

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Wer weiß heute schon, daß er bei der Volksanwaltschaft Auskunft darüber einholen lassen kann, ob über ihn beispielsweise ein Entmün- digungs- oder ein S tapo-Akt vorliegt?

Unter den insgesamt 6.085 Beschwerden, die seit der Aufnahme ihrer Tätigkeit am 1. Juli 1977 bis Ende des Vorjahres bei der Volksanwaltschaft eingebracht wurden, gab es auch Kurioses: so etwa Beschwerden über die gesundheitliche Beeinträchtigung durch ORF-Strahlen, eine Testamentfälschung zugunsten eines Arztes, das Verhalten eines Lehrers im Privatleben oder die mißbräuchliche Verwendung einer Dissertation. Die meisten Beschwerden betrafen jedoch allgemein bekannte bzw. aktuelle Bereiche.

Prinzipiell muß die Volksanwaltschaft jede Beschwerde prüfen, die an sie herangetragen wird, auch die von Touristen, ausländischen Geschäftsleuten und Gastarbeitern. Bedingung ist lediglich, daß die Beschwerde persönlich oder schriftlich eingebracht wird; es werden allerdings auch anonyme Beschwerden weiter verfolgt. Eine Vertretung ist ausschließlich durch einen Anwalt möglich, nicht aber beispielsweise durch Intervention eines Abgeordneten.

Das ist jedoch die einzige Schwelle, die zu überwinden ist. In Wien wurde die Volksanwaltschaft in einem Pri- vathaus eingerichtet (Wien 1, Johan- nesgasse 14), um eine Schwellenangst gar nicht erst aufkommen zu lassen, in den Bundesländern finden laufend Sprechtage statt, die im ORF und auf Plakaten angekündigt werden. Der Schriftwechsel spielt sich formlos ab, ohne Stempelgebühren oder andere Abgaben.

Die Volksanwaltschaft hat die Funktion einer Verwaltungskontrolle. Sie behandelt ausschließlich Mißstände in der Verwaltung des Bundes oder eines Landes; sie kann daher nur rein formal, also wegen Verfahrensverzögerungen, nicht aber von der Sache her in laufende Verfahren eingreifen. Die inhaltliche Prüfung eines Verfahrens steht ihr erst dann zu, wenn das Verfahren abgeschlossen ist, sie sozusagen als letzte Instanz angesprochen wird.

Volksanwälte haben auch dąs Recht, „von Amts wegen“ einzuschreiten, wenn sie Mißstände vermuten. Allerdings konnten sie bisher für eigene Beschwerden kaum Zeit erübrigen, sie sind mit den einge- brächten mehr als ausgelastet. Immerhin erledigten sie von den bisher rund 8000 eingelangten Beschwerden etwa ein Drittel positiv.

Erleichtert wird die Tätigkeit der Volksanwaltschaft dadurch, daß ihr* gegenüber die Amtsverschwiegenheit aufgehoben ist, ihr totale Akteneinsicht zusteht, ihr also jeder Akt zugänglich gemacht werden muß.

Die Volksanwälte verkehren direkt mit der obersten Verwaltungsbehörde. In vielen Fällen genügt ein Schreiben an den Minister oder Landeshauptmann, um den Beschwerdegrund aufzuheben. Kann die Volksanwaltschaft einen Fall nicht positiv zu Ende bringen, so steht ihr gesetzlich lediglich eine Empfehlung an die oberste Verwaltungsbehörde zu. In der Praxis war dies bisher nur in 25 Fällen notwendig; ein Viertel aller Anträge konnte ohne Empfehlung erledigt werden.

Als letzte Möglichkeit, eine berechtigte Beschwerde erfolgreich abzuschließen, kann sich die Volksanwaltschaft mit einem Bericht an den Nationalrat wenden. Bisher haben die Volksanwälte zwei Berichte vorgelegt; sie wurden zwar ungewöhnlich schnell behandelt, Konsequenzen hatte dies jedoch nicht, weil die Volksanwaltschaft als Provisorium nicht in der Geschäftsordnung des Nationalrates verankert ist Ein Ausweg, der den Volksanwälten bei totalem Mißerfolg ihrer Intervention bleibt, sind die Ombudsmänner der Tageszeitungen, mit denen sich eine gute Zusammenarbeit entwickelt hat.

Vielfach werden Erledigungen mit dem Hinweis auf das Provisorium, das die österreichische Volksanwaltschaft darstellt, blockiert. Mit Bundesgesetzblatt vom 24. Februar 1977 wurde sie zunächst einmal nur auf sechs Jahre eingerichtet.

Als oberste Bundesbehörde ist die Volksanwaltschaft ebenso unabhängig wie der Rechnungshof und die Höchstgerichte. Sie gibt sich ihre Geschäftsordnung selbst und verfügt über eigene Personalhoheit. Volksanwälte dürfen keinen anderen Beruf ausüben und kein Mandat bekleiden. Ihre Gehälter sind denen der Nationalräte angeglichen, ihre Pensionen dürfen die von Ministern nicht überschreiten. Gewählt werden sie mit der Möglichkeit einer Wiederwahl auf sechs Jahre.

Derzeit gibt es drei Volksanwälte, jeweils einen der im Parlament vertretenen Parteien. Die Ressortauftei- lung erfolgt nach Sachbereichen. ÖVP-Volksan walt Franz Bauer ist für Auswärtige Angelegenheiten, Bauten und Technik, Land- und Forstwirtschaft, Unterricht und Kunst und Wissenschaft und Forschung zuständig, Volksanwalt Robert Weisz von der SPÖ für das Bundeskanzleramt, Gesundheit und Umweltschutz, Soziale Verwaltung und Verkehr und FPÖ-Volksanwalt Gustav Zeillinger betreut Beschwerden im Bereich Finanzen, Handel, Gewerbe und Industrie, Inneres, Justiz und Landesverteidigung. Für insgesamt 21 Angestellte und alle anfallenden Ausgaben standen der Volksanwaltschaft heuer rund 13 Millionen Schilling zur Verfügung.

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