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Digital In Arbeit

Ein skurriler Einfall

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Sozialminister Alfred Dallin- ger will mit einer besonders skurrilen Maßnahme neue Arbeitsplätze schaffen: mit dem Verbot von Überstunden.

Zufolge einer Umfrage des Dr. Fessel+GfK-Instituts wird eine solche Maßnahme von 60 Prozent der Österreicher generell abgelehnt. 49 Prozent der Befragten befürchten ein Ansteigen der Schwarzarbeit und 37 Prozent Lohneinbußen, doch eine Verwirklichung des Dallinger-Vor- schlags würde vor allem einen

Bumerang-Effekt erzielen: die Vernichtung von Arbeitsplätzen.

In Österreich werden rund fünf Prozent des Arbeitsvolumens in Form von Überstunden geleistet. Auf jeden österreichischen Arbeitnehmer entfallen im Durchschnitt zwei Überstunden pro Woche, wobei sich die Uberstundenleistungen durchaus dem Konjunkturverlauf anpassen.

Wenn trotz schlechter Konjunkturlage Überstunden geleistet werden, so hat das meist fertigungstechnische und strukturelle Gründe.

In zahlreichen Branchen werden beispielsweise Investitions

güter, Anlagen, Verfahren und Produkte hergestellt beziehungsweise entwickelt, die auf die spezifischen Kundenwünsche zugeschnitten sind. Dabei entstehen in den verschiedenen Planungs- und Produktionsphasen eines Unternehmens zu unterschiedlichen Zeiten Produktionsspitzen, die sich weder durch Neueinstellungen noch durch innerbetriebliche „Springer“ ausgleichen lassen. Denn der überall prompt einsetz- bare „Universalfacharbeiterkonstrukteur“ ist leider noch nicht erfunden.

Überstunden sind auch in tristen Konjunkturphasen erforderlich, wenn unvorhersehbare Engpässe beseitigt werden müssen. Das können Reparaturen sein, die Zusatzfertigung dringend benötigter Ersatzteile, in letzter Minute eintreffende Änderungswünsche oder eine plötzliche Grippewelle.

Produktionsumstellungen müssen in aller Regel in kürzester Zeit abgewickelt werden, um die

Stillstandszeiten und damit auch die Stillstandskosten so knapp als möglich zu halten. Auch das ist nur mit Überstunden möglich.

In der Verwaltung sind Uber-

stunden unvermeidbar, wenn etwa die Jahresabschlußarbeiten samt Inventur anfallen.

Die Urlaubszeit ist darüber hinaus in jeder konjunkturellen Situation auch die Hochzeit für Überstunden, weil die Arbeit des Urlaubers nicht einfach liegenbleiben kann, dafür aber auch kein Ersatzmann eingestellt wird. Dieses Phänomen dürfte auch dem politischen Leiter eines Ministeriums bekannt sein, wo in den Sommermonaten allemal Überstunden geleistet werden, ohne daß an die Einstellung zusätzlicher Beamter gedacht ist.

Gerade eine schlechte Konjunktur zwingt oft zu Überstunden, weil dann meist jenes Unternehmen, das die kürzeste Lieferzeit verspricht, am ehesten bestimmte Aufträge zugesprochen erhält. Wenn aber gleichzeitig Anschlußaufträge fehlen, können für die Abwicklung von Termindruckaufträgen vernünftigerweise keine neuen Arbeitskräfte aufgenommen werden.

Die wirtschaftliche Wirklichkeit ist kein Abbild ideologischer Vorstellungen. Unternehmen sind nur dann konkurrenzfähig, wenn es ihnen möglich ist, sich mit Überstunden an die wechselnde Auftragslage anzupassen. Der Voest-Alpine-Konzern ist ungeachtet seiner Auslastungsprobleme auch in der tiefsten Krise auf Uberstundenleistungen seiner Mitarbeiter angewiesen.

Überstunden sind demnach für einen reibungslosen Ablauf in Produktion, Verwaltung und Dienstleistung unerläßlich.

Eine Mehrheit der Österreicher teilt diese Auffassung: 57 Prozent halten es laut einer Umfrage des Dr. Fessel&GfK-Instituts für äußerst unwahrscheinlich, daß mit einem Uberstundenverbot zusätzliche Arbeitsplätze geschaffen werden können; 66 Prozent halten die Idee, Überstunden stärker zu besteuern, für ungerecht und eine überwiegende Mehrheit der Befragten befürchtet, daß dadurch die Leistungsqualität abnehmen würde.

Nur 12 Prozent der befragten Österreicher mutmaßen bei einem generellen Verbot von Überstunden keine negativen Folgen für die Wirtschaft. Sozialminister Dallinger gehört zu dieser Minderheit.

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