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Eine Welt im Brennglas

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„Entwurf für eine Welt ohne Menschen — Entwurf für eine Reise ohne Ziel“: Ein neuer Titel, ein neuer Prosatext aus der Werkstatt des jungen Wiener Dichters Peter Rosei, seit Jahren eines Geheimtips der österreichischen Literaturszene, liegt vor. Das vierte Buch des 29jährigen nach seinen Skizzen „Landstriche“ (1972), nach dem Roman „Bei schwebendem Verfahren“ (1973) und der Kurzprosa „Wege“ (1974), die alle im Salzburger Residenz-Verlag erschienen sind.

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„Entwurf für eine Welt ohne Menschen — Entwurf für eine Reise ohne Ziel“: Ein neuer Titel, ein neuer Prosatext aus der Werkstatt des jungen Wiener Dichters Peter Rosei, seit Jahren eines Geheimtips der österreichischen Literaturszene, liegt vor. Das vierte Buch des 29jährigen nach seinen Skizzen „Landstriche“ (1972), nach dem Roman „Bei schwebendem Verfahren“ (1973) und der Kurzprosa „Wege“ (1974), die alle im Salzburger Residenz-Verlag erschienen sind.

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Rosei, der seltsam verträumt, wie ein Jungromantiker wirkt, ist eigentlich ein sehr kritischer, ein selbstkritischer Autor: Konstruktives überdenkt er immer wieder, obwohl er im Grunde „automatisch“ schreibt. Aber schließlich sind für ihn Fragen entscheidend wie: „Kann man eine Erzählung ohne Handlung, ohne einen zentralen Helden überhaupt schreiben? Wie weit kann man das Modell offener Erzählabläufe treiben, ohne den Leser zu ermüden?“ Und konsequent folgert Rosei: „Wenn ich Handlung und Helden eliminiere, muß also aus der Sprache selbst Bewegung kommen. Die Wörter, Wortassoziationen müssen sich bewegen, wie Zyklone sich steigern..

Das hat Rosei allerdings auch zu einer eigenwilligen Einstellung gegenüber der Wertung von Ereignissen in seinen Texten ge-lührt: „Früher habe ich immer gewertet missionarisch eine Idee vertreten, analysiert, projiziert. Heute will ich vorerst nichts aussagen, nur noch Abläufe zeigen. Die alte Naturwissenschaft glaubte an ein Ziel in der Entwicklung, heute geht es uns ums Vorzeigen von Ausschnitten, nicht mehr um Analyse und Projektion, sondern — auf Sprache bezogen — um Zustände in verschiedenen Sprachschichten...“

Das bestimmt auch die Arbeit Roseis an seinem neuen dreiteiligen Prosatext „Das Logbuch des Saint-Exupery — Till Eulenspiegel besucht die Vereinigten Staaten — Columbus“. Eine Untersuchung dreier Typen, kündigt Rosei an: „Exupery steht für Nietzsches Heroismus; seinen letzten Flug montiere ich mit Bil dem aus dem Leben des antiken Ingenieurs, Flugmaschinenkonstrukteurs und Labyritherbauers Daidalos. Sprachlich geht es um Vermittlung von Bildern des Fliegens, um die Draufsicht auf Inseln, um Grüße an Dylan Thomas, Esra Pound, Litaipe, um einen spontan zusammengestellten Katalog ... Till ist hingegen der Revolutionär, der nur durch die herrschende Klasse in eine Kinderbuchfigur ungemünzt, ins Kinderbuch abgedrängt wurde. Und schließlich Christoph Columbus — er beweist mir, daß Bewegung entscheidend ist. Wenn es im 15. Jahrhundert keine Weltmeere gegeben hätte, so wäre Columbus wahrscheinlich Bergsteiger geworden.“

Dahinter stehen aber für Rosei vor allem Sprachschichtenprobleme: so zum Beispiel, wie man verschiedene Sprachebenen notiert, ohne daß sie ihre Lesbarkeit “Verlieren (Rosei: „Ich bin schließlich kein Esoteriker!“); Fragen, wie musikalische Formen in Sprache überführt werden können — als Beispiel führt Rosei an, daß er von Anton Bruckner her das Architektonische in der Musik und auch die Baukunst Palladios begriffen habe... Oder auch die Frage des Konstruktionssystems: Geht man zum Beispiel seinen „Entwürfen“ auf den Grund, entdeckt man, daß sie — obgleich automatisch geschrieben — symmetrisch konstruiert sind, nur jeweils mit anderen Optiken gesehenes Material. Brennweiten, musikalische Tempoangaben, Farben wechseln: etwa durch Verkürzung der Mitvergangenheitsform, durch Montage eines Trauermarsches in die Vergangenelt. Eine Welt, durch ein Brennglas gesehen, wobel all Deutungen des Geschehenen vermieden werden.

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