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Der liebe Gott und der Lauschangriff

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Die Bibel erzählt, daß der Satan König David gereizt hätte, das Volk zählen zu lassen. „Aber Gott gefiel diese Sache nicht, und er bestrafte Israel.”

Daß eine Volkszählung eine Teufelei ist, war in biblischen Zeiten selbstverständlich. Sie bestand für die Zeitgenossen darin, daß sich hier ein Herrscher ein Wissen über seine Mitmenschen verschafft, das ihm gar nicht zusteht. Der König wollte sich Informationen verschaffen, die nur Gott zustehen.

Wer alles über seine Bürger wissen will, maßt sich ein „göttliches

Becht” an. Denn nur Gott allein ist dazu fähig, mit seiner Allwissenheit verantwortungsvoll umzugehen.

Seit einiger Zeit wird in Österreich über den Lauschangriff diskutiert, also über eine noch weitergehende Datenbeschaffung als die A^olkszählung. Mit der Begründung, das internationale Verbrechertum in den Griff bekommen zu wollen, sollen menschliche Grundrechte nur mehr bedingt gewahrt werden.

Die Polizei soll in Zukunft auch „die rassische Herkunft, politische Anschauungen, religiöse und andere Überzeugungen, sowie Angaben zur

Gesundheit und zum Sexualleben” erheben dürfen.

Erfreulicherweise gibt es dagegen viel Protest. Die Kirchen waren bisher eher schweigsam. Haben sie ihre eigene Glaubenstradition vergessen? Denn nach der biblischen Erfahrung ist die zweite Teufelei zweifellos größer als die erste.

In früheren Zeiten hat man sich damit zufriedengegeben, daß Gott allein die Qualität der „Allwissenheit” zukommt. Ein „computerbesoffenes” Zeitalter strebt jetzt die Allwissenheit an, ohne dazu die geringsten göttlichen

A^oraussetzungen zu haben.

Aber ohne diese - zugegeben übermenschliche - Qualität ist der Mißbrauch nicht nur möglich, sondern strukturell vorprogrammiert. Da beruhigen auch mehr oder weniger treuherzige Entschuldigungen wie „wo gearbeitet wird, da passieren Fehler” nicht.

In biblischen Zeiten war die Strafe für die „Teufelei” einer A'olkszäh-lung eine verheerende Pest. Und an die 70.000 Menschen hat es erwischt.

Und wieviele Menschen könnten in Zukunft Opfer einer „Datenpest” werden?

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