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Gleichheit

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Ein niederösterreichischer Bürgermeister hatte vor kurzem eine Idee. Und wer auch nur ein bißchen guten , Willens ist, muß dem Mann stehend Beifall klatschen.

Er meint nämlich, jedermann solle zentrale und wichtige Ämter aus allen Teilen des Landes zum Ortstarif anrufen können. Chancengleichheit also für den Hainburger Kleinhäusler wie für den Zwettler Großbauern, die sich beide etwa beim Ovalreferat in Pölten - das „Sankt" ist den Neuhauptstädtern ja mittels der neuen Autokenn-zeichen abhanden gekommen - nach dem Tageskurs für Hühnereier erkundigen möchten. Hut ab also vor dem Gerechtigkeitssinn dieses sozialen Ideenspenders, Vorsicht aber vor allzu schneller Zufriedenheit. Denn derlei kann bestenfalls der Anfang der allgemeinen Emanzipation sein.

Man denke etwa an die himmelschreiende Ungerechtigkeit, daß zwar Hunderte Mitbürger in unmittelbarer Nähe einer Lottoannahmestelle wohnen, Abertausende jedoch kilometerlange Anmarschwege auf sich nehmen müssen, um ihre wöchentliche Illusionsabgabe entrichten zu können. Her also mit den mobilen Glücksscheinverkäufern, die landauf landab jegliches Unrecht durch Allgegenwart ihrer wöchentlichen Traumangebote beseitigen.

Auch die so unterschiedliche Wetterlage im Süden und Norden, im Westen und Osten, gilt es zu egalisieren, der Staat darf da keine Kosten scheuen, Hagel wie Trockenperioden übers ganze Land auszudehnen, zur selben Zeit, versteht sich.

Da aber im Rahmen einer solch positiven Gleichmacherei keiner bevorzugt und keiner benachteiligt sein darf, geht's mir ganz persönlich auch um jene Vergünstigung, die einer meiner Freunde bislang recht solitär in Anspruch nimmt.

Er wohnt punktgenau oberhalb eines fanatischen Bastlers, der allabendlich unermüdlich sein Werk in Angriff nimmt, und zwar mit zwar leisen, jedoch nicht entstörten Elektrogeräten. Und so wird täglich um spätestens acht Uhr abends des Freundes TV-Schirm in ein grau verregnetes Rauschebild verwandelt, was logischerweise das sofortige Ausschalten des Fernsehapparates nach sich zieht.

Der Glückliche verfügt auf diese Weise nicht nur über ein tadelloses Familienleben, er hat sich solcherart auch reiche Literaturkenntnisse erworben, klagt nie über Mangel an Schlaf und fühlt sich rundherum wohl. Und vom Ortstariftelefonat bis hierher ist's im Streben nach einer alle umfassenden Privilegiengleichheit konsequenterweise nur ein Schritt.

Herrschaften, es wird doch noch für jedes Haus ein nicht entstörter Bastler aufzutreiben sein.

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