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Haydn radikal

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(Styriarte Graz’87) Die Entdek- kung interessierte ihn, nicht die Wiederholung, hat Nikolaus Harnoncourt einmal gesagt. Und liefert nun schon zum dritten Mal dem Grazer Nobel-Festival zum konservativen Programm das überregionale Profil. Die Entdek- kungsfahrt des Maestro ging diesmal zu Joseph Haydn, dort, wo er am exemplarischesten ist: zu den letzten Londoner Symphonien, zu drei Instrumentalkonzerten und zu zwei Messen.

Harnoncourts Bestreben, den Musikern zu erklären, warum sie gerade so und nicht anders spielen sollen, führt im Falle des Chamber Orchestra of Europe zu erstaunlichen Ergebnissen: da wird nicht nur das Klischee vom Papa Haydn gründlich zerstört, sondern auch auf der Basis einer ebenso präzisen wie emphatischen Artikulation in bisher unerschlossene, ja abgründige Dimensionen hineingeleuchtet. Nie gehörte laszive Geigenschleifer und strammer Marschtritt finden sich da im Andante-Ticktack der Symphonie „Die Uhr“, im langsamen Satz der „Militaire“ schlagen Tschinellen, Trommel und Triangel als „Türkische Musik“ barbarisch zu und entlarven den Zauber der Montur: die Tötungsmaschine läuft an.

Radikal setzt Harnoncourt hochdramatische Rubati, krallt sich in jeden verminderten Septakkord oder versinkt in fast manierierte Nachdenklichkeit. Da ist das junge internationale Ensemble in seinem Element: mitgerissen vom hochexpressiven Stil des Meisters, reißt es die Zuhörer hinein in ein ungeahntes Hörerlebnis.

Ohne Besonderheiten, weit ko- vęntioneller, klangen die Messen („Cellensis“ und „Theresien“), beide mit dem Arnold-Schönberg-Chor, letztere (unter Erwin Ortner) erfreulicherweise nicht vom Gottesdienst abstrahiert. Thomas Zehetmair, Heinrich Schiff und Jonathan Williams brillierten in den Instrumentalkonzerten. Rund um Harnoncourt eine Reihe von Füllseln, wie sie der europäische Musiksommer eben so bringt.

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