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Heinrich Benedikt ist tot

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Mit Heinrich Benedikt, der am 26. Dezember, vier Tage vor seinem 95. Geburtstag, von uns gegangen ist, hat Österreich den letzten Historiker verloren, der das Ende Altösterreichs noch im vollen Mannesalter erlebt hat. 1886 in Wien geboren, war Benedikt der älteste eines unvergesseren Dreigestirns von Historikern - mit seinen Freunden und Kollegen Hugo Hantsch (1895-1972) und Friedrich Engel-Janosi (1893—1978) -, das in den ersten Jahrzehnten der Zweiten Republik jüngeren Generationen die Geschichte der Monarchia austriaca aus der doppelten Quelle eigener Lebenserfahrung und historischer Forschung vermittelte.

Benedikt, dessen Vater Professor der Chemie an der Wiener Technik war, wurzelte im jüdischen Großbürgertum Wiens, dem er im familiengeschichtlichen Teil seiner Memoiren „Damals im alten Österreich" (1979) ein unvergleichliches Denkmal gesetzt hat. Die Weite Altösterreichs öffnete sich dem staunenden jüngeren Zuhörer wie dem Leser seiner Lebenserinnerungen.

Doch das Zeitalter, dem die größte Liebe des Historikers Benedikt galt, war der Barock, war Österreichs „großes Jahrhundert", das achtzehnte. Benedikts stupendes Wissen um biographische, kulturhistorische, wirtschaftsgeschichtliche Zusammenhänge trat oft hinter dem bestrickenden Charme seiner Persönlichkeit zurück; in seinen zahlreichen Werken liegt es zu Tage, in einem glasklaren Stil, dem jeder Pathos fernliegt.

Besonders genannt sei das großartige Buch über das Königreich Neapel unter Karl VI. (1927), die Bücher „Kaiseradler über dem Apennin" (1964), „Als Belgien noch österreichisch war (1965), seine Biographien des Grafen Franz Anton Sporck (1923) und des „Pascha-Grafen" Alexander von Bonne-val (1959).

Seinen wunderbaren Essay über das alte Österreich „Monarchie der Gegensätze" (1947, erweitert 1968 als „Die Monarchie des Hauses Österreich") schloß Benedikt mit der Berufung auf Nikolaus Cusanus, der in der coincidentia oppositorum und der concordia varietatis ein göttliches Gesetz suchte; Benedikt sah darin das Symbol Altösterreichs: „Den Versuch, die Gegensätze, statt sie aufzuheben, in ihrer gottgeschaffenen Buntheit zu erhalten und in einer höheren Einheit des Friedens zusammenzufassen, deckt die Erde." Nun deckt sie auch Heinrich Benedikt, Zeuge und Historiker der Monarchie der Gegensätze. Sie werde ihm leicht.

Der Autor ist Ordinarius für Geschichte der Neuzeit an der Universität Wien.

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