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Helene Berg †

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Hochbetagt starb am 30. August in Wien Helene Berg, die Witwe des großen Komponisten. — Für Alban Berg war 1911 ein Schicksalsjahr. Die Lehrzeit bei Schönberg ging zu Ende, und am 3. Mai fand in der Evangelischen Kirche in der Dorotheergasse die Trauung mit Helene Nahowski statt — gegen den Willen des Brautvaters, eines höheren Beamten, der vom Beruf des Komponisten nicht viel hielt. Im gleichen Jahr (1885) wie ihr Mann geboren, überlebte Helene Berg ihn um 45 Jahre. Die meisten der Heutigen kannten sie nur als Witwe, und zwar als eine von ganz besonderer Art. Aus der liebenden Braut und Gattin war eine gewissenhafte, kundige und getreue Bewahrerin eines großen künstlerischen Erbes geworden, die jedermann respektierte. In ihrer Hietzinger Wohnung Trautt-mansdorffgasse 27, die sie nach der Hochzeit bezog, lebte sie bis zu ihrem Tod. Hier hat sie unzählige Besuche freundlich empfangen, Bergs Arbeitszimmer mit dem großen Flügel, den Bildern von Mahler und Schönberg an der

Wand und der aufschlußreichen Bibliothek blieb unverändert. Unverändert wie ihre Liebe zu dem so früh Dahingeschiedenen, dessen an sie gerichtete Briefe Helene Berg nach langem Zögern 1965 veröffentlichen ließ. Diese über 850 Seiten bezeugen eine einzigartige menschliche Beziehung, von der jeder etwas spürte, der mit Helene Berg in Berührung kam. In dem nur sieben. Zeilen umfassenden Vorwort spricht sie von der „Vereinigung unserer Seelen — über Raum und Zeit im Ewigen...“ Aber sie hütete nicht nur einen Schatz, sondern widersetzte sich auch — zum Glück — der wiederholt vorgeschlagenen Vollendung der Lulu-Partitur. — Selbst in bescheidenstem Stil lebend, hat sie eine reichdotierte Alban-Berg-Stiftung begründet und alle im ihrem Besitz befindlichen Handschriften, deren Autographenwert auf etwa 30 Millionen Schilling geschätzt wird, der Österreichischen Nationalbibliothek und der Wiener Stadtbibliothek geschenkt.

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