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Schutz für eine Musikstätte!

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Als Alban Berg Ende Dezember 1935 Starb, hinterließ er ein Werk, das zur Weltgeltung der österreichischen Musik in der Gegenwart wesentlich beigetragen hat. Er hinterließ auch eine Witwe, die sein Erbe mit Liebe, Takt und Sachkenntnis verwaltet. Und er hinterließ eine Wohnung mit seinem Arbeitszimmer, seinen Manuskripten, seiner Bibliothek, den Tisch, an dem er gearbeitet, den Flügel, auf dem er gespielt sowie Bilder und Kunstgegenstände, die er geliebt hat. Hier in diesen Räumen, die von Komponisten und ausübenden Künstlern aus aller Welt, von Musikwissenschaftern und Schriftstellern immer wieder besucht wurden, hat er sein Leben gelebt, seine Werke geschaffen und auch den toten Gegenständen etwas vom Adel seines Geistes aufgeprägt. Vor 40 Jahren hatte der Künstler mit seiner jungen Frau die Wohnung bezogen. Und nun plötzlich...

Und nun plötzlich, mitte? im Frieden, kommt Unruhe in das ruhige Haus ln der

Trauttmansdorffgasse in Hietzing. Zunächst schickt sich der Hausbesorger an, zwecks Erweiterung seiner eigenen Wohnung die Wand, che ihn vom Arbeitszimmer Alban Bergs trennt, zu durchbrechen (ein Motiv übrigens für Nestroy oder Kafka — wenn es zu ihrer Zeit solche Motive gegeben hätte).

Dann folgte, mit der Begründung des „Eigenbedarfs", die Räumungsklage durch die Hausbesitzerin, die bisher in der Provinz gelebt hat. Das Gericht, in erster und zweiter Instanz, urteilte nach dem Miefengesetz und konnte der Witwe außer dem unter Denkmalschutz stehenden Arbeitszimmer des Komponisten nur einen Nebenraum zum persönlichen Bedarf zubilligen. Durch diese inappellable, zu Recht und nach dem Gesetz getroffene

Entscheidung ist aber eine Situation entstanden, die dem Sinne des Denkmalschutzgesetzes widerspricht. Da die Witwe des Komponisten seit Jahren leidend ist, wird sie eine für ihre Betreuung notwendige Pflegerin entweder im Arbeitszimmer Alban Bergs unterbringen oder selbst dieses Zimmer bewohnen müssen. Daß ein solcher Raum sich dann nicht mehr zur Besichtigung durch Gäste aus aller Welt eignet, liegt wohl auf der Hand.

Das Berufungsgericht begründete seinen Entscheid mit dem Hinweis, daß kulturelle Gesichtspunkte das private Recht eines Staatsbürgers — hier den Anspruch der Hauseigentümerin auf einen Teil der Wohnung — nicht verletzen dürfen. Wenn die Witwe des Komponisten das Zimmer zu Wohnzwecken benötige, so könne die Einrichtung in das Museum der Stadt Wien transferiert werden, Außerdem sei die Wahrnehmung denkmalpflegerischer Interessen nicht Sache von Privatpersonen, sondern der hiefür zuständigen Behörden.

Abgesehen davon, daß ein Unterschied besteht, ob man eine Zimmereinrichtung in einem Museum sicherstellt oder ob man sie in ihrer natürlichen Umgebung beläßt, scheint uns in. diesem und ähnlichen Fällen ein „menschlicher" Gesichtspunkt weitgehender Berücksichtigung wert: Wer Künstlerehen kennt, weiß, welche Aufgaben meist der Frau des Künstlers zufallen. Längst mußte sie die dankbarere Rolle der Muse mit der der Hausfrau vertauschen, auf der oft die schwere Last der materiellen Sorgen liegt und die überdies die Beschützerin der Arbeitsruhe des Schaffenden ist. Vieles, was gemalt, gedichtet oder komponiert wurde, wäre nicht geschaffen worden ohne ihre Hilfe. Dafür verdient sie nicht nur Dank in Worten, sondern auch den tatkräftigen Schutz der Gemeinschaft, besonders, wenn sie selbst eines Tages der Fürsorge und der Pflege bedarf. Hier gilt es, eine Ehrenpflicht zu erfüllenl

Sowohl das Bundesdenkmalamt als auch das Kulturamt der Stadt Wien haben ihren guten Willen gezeigt und haben das Anliegen der Witwe Alban Bergs, ihre seit 40 Jahren bewohnte Wohnung behalten zu dürfen, durch Bescheinigungen und Empfehlungen unterstützt. Aber ihre Hilfe war zu schwach. Privatrecht geht vor Kulturpflege und Denkmalschutz. Und damit Punktum? Wir möchten sehr wünschen, daß hier — vielleicht durch Hilfe von allerhöchster Stelle — eine Lösung gefunden wird, die dem Ansehen der Musikstadt Wien angemessen ist, und daß künftig die Anliegen des Denkmalschutzes wirksamer vorgetragen werden mögen als nur durch Empfehlungen.

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