6833064-1974_50_04.jpg
Digital In Arbeit

Hoffen, daß nichts passiert

Werbung
Werbung
Werbung

Evergreen Osivald Peterlunger, seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs zugleich Richelieu und Silhouette im Innenministerium, Diener und Berater zahlreicher Ressortchefs in der Herrengasse (Franz Olah, Hans Czettel, Franz Hetzenauer, Franz Soronics und nun Otto Rösch) wird ein weiteres Jahr blühen.

Ende 1974 hätte der Generaldirektor für die Öffentliche Sicherheit, wie es erst hieß, endgültig in Pension gehen sollen. Doch Innenminister Rösch hat sich, ganz gewiß nach Absprachen mit Peterlunger, anders entschieden: Der Sektionschef wird zumindest für ein weiteres Jahr im Amt bleiben. Minister Otto Rösch motivierte seine Entscheidung damit, daß Peterlunger „der geeignete Mann ist, um die ganze Neuorganisation in Schwung zu bringen“. Gleichzeitig ließ er verlauten, daß er auch im Hinblick auf die Nationalratswahlen im kommenden Jahr etwa eine Koalitionsregierung, in der ein ÖVP-Funktionär das Innen ressort führen könnte, prajudizięren möchte. Rösch gilt im übrigen als fast sicherer Aussteiger aus dem Kabinett Kreisky. Der meist im Hintergrund agierende, aber sehr einflußreiche SP-Funktionär soll, wie es heißt, nach den nächsten Nationalratswahlen die Nachfolge von Hans Czettel als Landeshauptmannstellvertreter in Niederösterreich antreten und sich in dieser Funktion für den niederösterreichi- sehen Landtagswahlkampf 1979 aufbauen. Hans Czettel hat sich nach seiner schweren Herzattacke Anfang Sommer 1974 weitgehend zurückgezogen und dürfte sich seines Abschieds aus der Politik schon heute entgegenfreuen.

Oswald Peterlungers weiteres Ehrenjahr ist nicht allein Innenminister Otto Röschs Dank für wertvolle Dienste, sondern auch das Ergebnis eines heillosen Personalwirrwarrs in der Herrengasse. Wie die Grazer „Kleine Zeitung" schrieb, stehen Rösch sechs seriöse Nach-

folgekandidaten für Oswald Peter~ lunger zur Verfügung, von denen ihm freilich niemand so ganz passen wollte.

Im Zuge einer als Verwaltunps- vereinfachung bezeichneten Einrichtung neuer Spitzenposten wurden die Ministerialräte Danzinger und Pachemegg zu Zentraldirektoren ernannt. Ersterem werden Polizei und Gendarmerie (die allmählich zusammengelegt werden sollen, was freilich von Innenminister Rösch auch nicht mit der nötigen Klarheit festgelegt wurde), letzterem Staats-, Kriminal- und Administrativpolizei unterstellt.

Denn denkbar ist, daß unter einem ÖVP-Innenminister in der zu erwartenden großen Koalition entweder Sektionschef Robert Czedik-Eysen- berg oder Ministerialrat Weihskirchner mit der Funktion des Generaldirektors für öffentliche Sicherheit betraut wird. Beide haben unter Innenminister Rösch erfahren müssen, was es heißt, „Niehtsozialist" in der Herrengasse zu sein. Czedik- Eysenberg mußte gar die Sektion III abgeben, Weihskirchner wird regelmäßig üb ergangen.

Recht still marschiert dagegen ein Außenseiter, Ministerialrat Armin Hermann, nach oben. Er gilt als Vertrauter von Rösch und hat gute Chancen, die Staatspolizei zu über nehmen. Es bleibt abzuwarten, ob sich Innenminister Rösch in seinem wahrscheinlich letzten Regierungsjahr für personelle Präferenzen besonders intensiv einsetzen wird.

Nach wie vor zählt die Staatspolizei zum Undurchsichtigsten, das der österreichische Verwaltungsapparat zu bieten hat. Gelegentlich werden Spione er- oder gefunden, die Angaben über die Anzahl ausländischer Spione in Österreich schwanken wie in den Zeiten des .JJritten Mannes“ zwischen 30 und 100.000, meist hat man den Eindruck, daß es Otto Rösch, wie auch den meisten Innenministern vor ihm, nur darum zu tun ist, die Dinge möglichst lautlos über die Bühne zu bringen. Vereinfachend dargestellt, findet die so problematisch gewordene militärische Neutralitätspolitik Österreichs ein Äquivalent in der inneren Sicherheitspolitik unseres Staates. Hoffen, daß nichts passiert, scheint die Maxime der österreichischen Sicherheitspolitik zu sein. Damit hat man die Vergangenheit „anstandslos“ bewältigt, ob das für die Zukunft reichen wird, ist eine Frage, mit der sich die Nachfolger von Otto Rösch beschäftigen werden müssen.

Ein Thema. Viele Standpunkte. Im FURCHE-Navigator weiterlesen.

FURCHE-Navigator Vorschau
Werbung
Werbung
Werbung