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„Ein Hort der Ruhe und des Friedens“

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FURCHE: Es mehren sich die Strafdelikte — sagt die Bevölkerung, wenn man sie danach fragt. Ausbrecher haben ein leichtes Spiel, gegen Belästigungen durch Rowdys geschieht zuwenig, schwere Verbrechen werden nicht oder erst spät aufgedeckt und — so meint vielfach der einzelne Staatsbürger — die Polizei ist immer dann nicht da, wenn man sie einmal braucht. Jetzt, Herr Innenminister, ist mit dem 1. Juli auch eine Dienstzeitverkürzung bei der Exekutive eingetreten ...

RÖSCH: Auf Grund der Verkürzung der Arbeitszeit auf 43 Stunden hat natürlich auch die Exekutive Anspruch, dieser Verkürzung teilhaftig zu werden. Diese Dienstzeitverkürzung tritt in der Form in Kraft, daß jedes Monat eine Diensttour frei sein wird. Dadurch wird die derzeitige monatliche Arbeitszeit auf 218 Stunden herabgesetzt: das ist allerdings noch immer mehr als 43 Stunden pro Woche. Ich glaube aber, daß die Darstellung, daß dadurch Sicherheit, Ruhe und Ordnung gefährdet wären, übertrieben ist. Es werden alle Maßnahmen ergriffen, um die Ordnung aufrechtzuerhalten, und zwar im Ernstfall dadurch, daß man aus der sogenannten Bereitschaft Sicherheitswachebeamte einberuft. FURCHE: Wird das auch im Falle einer Eskalation, z. B. bei Studentenunruhen, genügen?

RÖSCH: Ja, denn schon bisher wurden die Bereitschaften einberufen, wenn es zu solchen Demonstrationen kam. Es war auch bisher nicht möglich, mit den im Dienst befindlichen Sicherheitswacheorganen das Auslangen zu finden.

FURCHE: Jede Neuregelung wird auch eine Neuordnung des sogenannten Dreierradis enthalten. RÖSCH: Die Frage des Dreiergruppendienstes wird jetzt durchdiskutiert. Neben einem Vorschlag des Innenministeriums liegt ein Vorschlag der zuständigen Personalvertretung vor. Das Ziel ist, möglichst noch im Laufe des heurigen Jahres zu einer Einigung für eine Abänderung der Dienstzeit zu kommen.

FURCHE: Die Schwierigkeiten der Exekutive liegen nicht nur in der Diensteinteilung, sondern auch darin, daß das Durchschnittsalter der Wiener Polizisten sehr hoch ist. Sind von Ihnen Möglichkeiten ins Auge gefaßt, Abhilfe zu schaffen?

RÖSCH: Das ist eine Frage des Nachwuchses. Im gesamten Bundesgebiet ist die Frage nicht so prekär wie ausgerechnet in der Großstadt, in Wien. Wir werden jetzt darangehen, unter Zuhilfenahme der Ford-Foundation eine Untersuchung anzustellen: Was ist der Grund, warum sich weniger Leute für die Sicherheitswache in Wien melden und doch genügend in den Bundesländern. Und auf diesen Ergebnissen aufbauend, werden wir versuchen, die Werbung für die Exekutive durchzuführen. Ein Schritt ist ja schon von meinem Vorgänger getan worden: die Herabsetzung der Ausbildungszeit von zwei auf eineinhalb Jahre. Wir sind jetzt dabei, zu überprüfen, ob man nicht die Ausbildung überhaupt ändern sollte, so daß es z. B. für Leute, die schon beim Bundesheer waren, attraktiv genug ist, diese Ausbildung noch auf sich zu nehmen.

FURCHE: Eine mangelnde Attraktivität der Polizei ergibt sich auch aus einem schlechten Image, das ihr anhaftet.

RÖSCH: Ein schlechtes Image ist vielleicht ein bißchen übertrieben. Ich glaube aber, das Entscheidende, warum es zu einer Verschlechterung gekommen Ist, dürfte das sein: Durch die Motorisierung kommt es zu immer häufigeren Konfrontationen zwischen den Sicherheitsorganen und dem Staatsbürger. Das ist ein Problem, das in allen Großstädten, nicht nur bei uns, vorhanden ist. Nun muß man sehen, welche Mittel und Wege es gibt, diese Konfrontation zu entschärfen. Wir haben jetzt einen konkreten Vorschlag vorliegen, den wir noch im Laufe des nächsten halben bis dreiviertel Jahres verwirklichen wollen: die Einhebung der Organstrafmandate durch bargeldlosen Verkehr. FURCHE: Genau das ist das Kernproblem: die Polizei ist offensichtlich überlastet und muß wichtigere Probleme vernachlässigen.

RÖSCH: Die Verkehrsprobleme sind nun einmal in den siebziger Jahren ein zentrales Problem. Einige Großstädte haben sich entschlossen, Parkometer aufzustellen. Die Überwachung dieser wäre dann auch nicht Aufgabe der Sicherheitswache. FURCHE: Eben, es erscheint ineffizient, vollausgebildete Polizisten Strafmandate einheben zu lassen; diese Aufgabe könnte man doch pensionierten Polizisten oder einfach vereidigten Zivilisten übertragen. RÖSCH: Ja, in Skandinavien wird diese Aufgabe von jungen Mädchen wahrgenommen, das hat den Vorteil, daß der Staatsbürger mit einer jungen Dame weniger leicht in Streit gerät.

FURCHE: Wie man sieht, müssen also Wege und Mittel gefunden werden, die Sicherheitswache umzustrukturieren, sie den Erfordernissen der modernen Gesellschaft anzupassen.

RÖSCH: Ja, aber damit nicht ein falscher Eindruck entsteht: verglichen mit anderen Großstädten ähnlicher Größenordnung ist etwa Wien noch immer ein absoluter Hort der Ruhe und des Friedens.

FURCHE: Dieses Klima ist aber nicht zuletzt nur eine Folge der Mentalität des Österreichers ... RÖSCH: ... das ist unbestritten — dieses ruhige Klima hängt zu einem Teil mit der Mentalität des Österreichers zusammen. Daneben muß man aber doch eines feststellen: die Wiener Polizei hat gerade in den letzten 25 Jahren große Erfahrungen gesammelt, was die Behandlung von größeren Unruhen durch Menschenansammlungen betrifft. Außerdem hat sich das Vorgehen der Wiener Polizei immer sehr wohltuend von dem in anderen Ländern unterschieden. Bei uns ist praktisch noch nie von der Waffe Gebrauch gemacht worden.

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