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Hoffnung auf den Sieg der Liebe

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Nur ein toter Jerzy Popieluszko kann nichts mehr über seine Entführer und deren Hintermänner berichten. Daraus darf man folgern, daß die Ermordung des Warschauer Priesters, des unerschrockenen Kämpfers für Menschenrechte und öffentliche Moral, Zweck seiner Entführung war: Er sollte zum Schweigen gebracht werden. Für immer.

Was heißt hier schweigen? Wieder hat Kain seinen Bruder Abel erschlagen. Und „der" Herr sprach: „Was hast du getan? Das Blut deines Bruders schreit zu mir vom Ackerboden" (Gen 4,10).

Der lebende Pater Popieluszko war für das Regime unbequem. Als Märtyrer wird er noch unbequemer sein. Und damit müssen General Jaruzelski und sein Regime künftig leben.

Aber es ist ein Fehlschluß, anzunehmen, daß dieser Priestermord im Sinne seiner politischen Führung gelegen wäre. Der mühsame Prozeß der Normalisierung, der mit der Amnestie vom 22. Juli eingeleitet wurde, die Bemühungen um einen nationalen Konsens und um ein sachliches Gespräch mit der Kirche, der sich anbahnende Dialog mit dem Westen: Das alles wird durch die brutale Bluttat torpediert.

Daran können nur jene Kräfte in Polen Interesse haben, die den Kurs des Generals als zu weich empfinden, die beharrlich Kursverschärfung und Unnachgiebig-keit gegenüber Kirche und Opposition anstreben. Und diese „Betonköpfe" finden ihren Rückhalt nur in Moskau.

Jaruzelski hat in dieser Situation nur eine einzige Chance: Er muß die öffentliche Meinung für sich gewinnen. Daher hat er „den Akt gefährlichen Banditentums" verurteilt, daher sind drei hochrangige Beamte des Innenministeriums bereits als Täter in Haft, bedroht mit der unmenschlichen Todesstrafe.

Die kleinen Beteiligten am Verbrechen hängt man, die großen Hintermänner läßt man laufen? Auszuschließen ist jedenfalls, daß hier nur drei radikale Einzelgänger am Werk waren. Der Mord war zu gut vorbereitet und muß penibel geplant worden sein: Denn Pater Popieluszko wurde wegen seiner Verbindungen zur verbotenen Gewerkschaft „Solidarität" auf Schritt und Tritt vom Sicherheitsdienst überwacht. Daß er am 19. Oktober nicht beschattet worden ist, kann nur als bewußte Regie gedeutet werden. Eine Regie, die auch sofort nach der Entführung mit gefälschten Streikaufrufen zur Hand war.

Die Absicht der Provokation ist offenkundig, offensichtlich das Ziel, Gewalt zu säen. Jedoch:

„Nur Güte und Liebe können das Böse besiegen", stand am Sonntag über dem Eingangstor zur St. Stanislaus-Kirche in Warschau, wo Popieluszko als Seelsorger wirkte, als dort für ihn gebetet wurde. Hat sein Tod die Polen in dieser Uberzeugung bestärkt, lebt Popieluszkos Andenken als unzerstörbare Hoffnung weiter.

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