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Im Schatten Oufkirs

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König Hassan II. sucht nach dem gescheiterten Militärputsch vom Juni dieses Jahres jetzt ein Arrangement mit der (verbotenen) demokratischen Opposition Marokkos. Diesen Schluß ziehen politische Beobachter nach der Lektüre der jetzt bekanntgewordenen Begründung der bereits am vergangenen Wochenende ergangenen Urteile in dem Hochverratsprozeß gegen insgesamt 193 Angeklagte in Marrakesch, der relativen Milde und dem Zögern des Monarchen, die fünf Todesurteile zu bestätigen.

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König Hassan II. sucht nach dem gescheiterten Militärputsch vom Juni dieses Jahres jetzt ein Arrangement mit der (verbotenen) demokratischen Opposition Marokkos. Diesen Schluß ziehen politische Beobachter nach der Lektüre der jetzt bekanntgewordenen Begründung der bereits am vergangenen Wochenende ergangenen Urteile in dem Hochverratsprozeß gegen insgesamt 193 Angeklagte in Marrakesch, der relativen Milde und dem Zögern des Monarchen, die fünf Todesurteile zu bestätigen.

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In Rabat bewerten politische Kreise die Urteile und Urteilsbegründungen mit dem Sprichwort: „Der Berg kreißte und gebar eine Maus.“ Man hört in oppositionellen Zirkeln auch die Feststellung, die Behörden hätten sich monatelang alle Mühe gegeben, aus einer Mücke einen Elefanten zu machen, und das Gericht und der König müßten den Elefanten jetzt wieder in eine Mücke zurückverwandeln. Diese blumige Redeweise trifft ziemlich genau den Kem der Dinge. Als der Prozeß vorwiegend gegen Mitglieder der illegalen sozialdemokratischen UNFP begann, konnte der Herrscher noch glauben, nur die Oppositionsparteien UNFP und Istiklal bedrohten seine Regierung, wäre es nicht während des Prozesses zu dem dilletantischen Putsch einer Reihe von Armeeoffl- zieren gekommen. Der Monarch wurde spielend mit ihm fertig, aber der Aufstand seiner getreuesten Parteigänger scheint ihm doch einen

nachhaltigen Schock versetzt zu haben.

Durch den Putsch geriet Hassan in Abhängigkeit zu seinem „starken Mann“, dem General Mohammed Oufkir, der seinerzeit in die Pariser Entführungsaffäre Ben Barka verwickelt war und in Frankreich noch immer steckbrieflich gesucht wird. Oufkir beteiligte sich an fast allen politischen Intrigen des Landes seit dessen Unabhängigkeitserklärung und gilt als außerordentlich machthungrige Persönlichkeit. Das Angewiesensein auf ihn kann dem König wenig behagen. Hassan ist zudem zu klug, um nicht zu wissen, daß Oufkir die rückständigsten Kräfte repräsentiert. In dieser Zwangslage liegt die Ursache für seinen Versuch, sich mit der demokratischen Opposition seines Landes zu arrangieren.

In der marokkanischen Hauptstadt betrachtet man die Urteile gegen die 193 Verschwörer als relativ milde. Man rechnet damit, daß die Freiheitsstrafen früher oder Später auf dem Gnadenweg noch weiter gemildert oder ganz aufgehoben werden. Von den fünf Todesurteilen werden vier mit Sicherheit niemals vollstreckt, weil sich die „Kandidaten“ dafür im sicheren Exil aufhalten. Auch der fünfte Hinrichtungskandidat, der Oppositionspolitiker Mohammed Adjar, kann wohl auf Milde rechnen. Es wäre kaum zu rechtfertigen, ihn allein an den Galgen zu bringen. Die Verurteilten haben allerdings einen mächtigen Gegner. Verteidigungsminister Oufkir dürfte König Hassan drängen, die Urteile unverändert zu lassen und zu vollstrecken. Er weiß, daß eine Milde, die den Weg zu einer Annäherung zwischen Scherifen- thron und Opposition ebnen würde, auf lange Sicht seine eigene Machtposition beeinträchtigen müßte.

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