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(K)ein gewagtes Unternehmen . .. ?

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Wagniskapital (Venture Capital) ist international unter verschiedenen Etiketten diskutiert worden. Jetzt sendet auch Österreich „Risiko-Signale”.

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Wagniskapital (Venture Capital) ist international unter verschiedenen Etiketten diskutiert worden. Jetzt sendet auch Österreich „Risiko-Signale”.

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Da die Venture-Finanzierung in Amerika in den letzten Jahren einen ungeheuren Aufschwung erlebt hat und die Erträge für die Anleger im Durchschnitt sehr beachtlich waren, ist es nicht verwunderlich, daß sich auch die europäischen Anleger dieses Instrumentes zu bedienen beginnen und auch in Österreich eine Venture

Capital-Gesellschaft ihre Tätigkeit aufgenommen hat.

Das ursprüngliche Ziel der Venture-Finanzierung war (wie vieles in Amerika) die Gewinnmaxi-mierung: Ein Anleger, sei es nun ein Privater oder eine Finanzinstitution, gibt sein Geld einem Venture Capital-Fonds, und die Manager dieses Fonds investieren das Geld in solche Firmen, die in den der Investition folgenden fünf bis sieben Jahren große Erträge und damit eine große Steigerung des Unternehmenswertes erwarten lassen. Der Investor (Anleger) hatte (und hat auch heute noch in den USA) keinen Einfluß auf die Auswahl der Unternehmen, in die der Fonds investiert Aufgrund der hohen Ertragserwartungen ist es verständlich, daß vor allem in kleine Unternehmen investiert wird, die gerade eine neue Produktidee realisieren oder den Sprung vom Prototyp in ein marktreifes Produkt wagen wollen. Bei diesen Unternehmen muß es sich nicht unbedingt um sogenannte Hochtechnologie-Unternehmen der Elektronik oder Biochemie handeln. Es gibt (in den USA) auch Fonds, die sehr stark in Betriebe des Dienstleistungsbereiches investieren (Restaurants, Kabelfernsehen, private Brief- und Paketzustellung).

Bekannt geworden ist die Venture-Finanzierung vor allem durch Erfolge von jungen Unternehmern. Beispielsweise Hochschulassistenten oder ehemalige IBM-Mitarbeiter, die sich selbständig gemacht haben — die auf eigenes Risiko in ihrer Garage (oder sonst wo) mit Geld aus einem Venture Capital-Fonds ein Produkt entwickelten und produzierten, das dann der große „Hit” wurde.

Die Chance für den Anleger liegt nun darin, daß die Fondsmanager — trotz aller Risken — Firmen aussuchen, die eben mit großer Wahrscheinlichkeit erfolgreich sein werden. Der Gewinn fließt dabei dem Investor nicht jährlich zu (was unmöglich wäre, da fast alle Firmen, in die der Fonds investiert, in den ersten Jahren Verluste machen werden), sondern entsteht immer erst dann, wenn diese (meist kleinen) Firmen nach fünf bis sieben Jahren verkauft werden oder an die Börse gehen. Der Gewinn ist also nicht die Summe irgendwelcher jährlicher Dividendenauszahlungen, sondern entsteht dann, wenn der in diesen Jahren „angesammelte” Unternehmenswert durch Verkauf oder Ausgabe von Aktien „realisiert” wird. Der Fonds selbst bzw. die Fondsmanager bekommen eine jährliche Managementgebühr und eine Beteiligung am Gewinn, falls der Fonds erfolgreich ist.

In jüngster Zeit hat auch in Amerika neben der Gewinnmaxi-mierung ein weiterer Gedanke die Bereitstellung von Venture Capital positiv beeinflußt, nämlich die Idee des „Technologie-Fensters”. Darunter versteht man, daß ein Anleger (in diesem Fall meist ein großes Unternehmen) sein Geld nicht so sehr wegen der Gewinnchance dem Fonds gibt, sondern vielmehr wegen der Hoffnung, in diesen Unternehmungen neue Produkte und/oder neue Verfahren zu entdecken. Dieser Gedanke wurde in den letzten Jahren mit Erfolg von einigen europäischen Unternehmen' durch Investitionen in den USA realisiert. Doch auch bei dieser Variante gilt in den USA der Grundsatz, daß kein Investor bei einer Investitionsentscheidung irgendwie mitbestimmen kann.

Wie viele andere gute Ideen wurde auch die Idee des Venture Capital bei uns so „austrifiziert”, daß aus einer wirtschaftspolitischen Chance (ja Notwendigkeit) ein Abenteuerspielplatz für zwei Bankdirektoren und zwei Sozialpartner (die dem Beirat angehören) wurde. Die Rechtskonstruktion der österreichischen Gesellschaft entspricht noch durchaus den internationalen Gepflogenheiten (siehe Kasten): Eine Venture Finanzierungs-Gesellschaft bringt das Geld in Form von Treuhandeinlagen auf, und die Venture Management-Gesellschaft veranlagt diese Mittel, wählt die Beteiligungsunternehmen aus und verwaltet das Fondsvermögen. Der Venture-Management-Gesellschaft ist aber in Österreich ein Beirat — der Investitionsausschuß — beigegeben, der bei Investitionen mitentscheidet. Eine Konstruktion, die es nur bei uns gibt. Denn einer der Grundsätze von Venture Capital-Gesellschaf-ten besteht darin, daß die Investoren bei der Veranlagung der Mittel nicht mitentscheiden können. Dazu kommt noch, daß diesem Beirat neben den erwähnten zwei Bankdirektoren und zwei Sozialpartnern kein Techniker angehört, der die Projekte auch technisch-fachlich beurteilen könnte und nur ein Vertreter mit Industriehintergrund, nämlich der Vertreter der ÖIAG.

Daneben gibt es noch einige andere „Besonderheiten” des österreichischen Venture-Geschäftes: Es gibt keine privaten Anleger, das Geld kommt nur von großen Institutionen (Banken, Versicherungen, verstaatlichte Industrie)

— und der wesentlichste Unterschied zu den anderen Venture Capital-Gesellschaften: Niemand trägt irgendwo ein persönliches Risiko, (wenn man vom Steuerzahler absieht).

Ein weiteres österreichisches Spezifikum besteht darin, daß man rund ein Drittel des in Österreich aufgebrachten Venture Ca-pitals (von insgesamt rund 270 Millionen Schilling) in einen amerikanischen Fonds investiert

- dessen Manager zwar im Beirat vertreten sein wird, da auch seine Gesellschaft an der Venture Management-Gesellschaft beteiligt ist —, doch bekommen wir für diese eher großzügige Geldhingabe praktisch keine Gegenleistung außer der üblichen Gewinnbeteiligung. Schließlich muß man auch bedenken, daß bei uns der Möglichkeit, Gewinne durch Verkauf bzw. Notierung an der Börse zu erzielen, noch große steuerliche und gesellschaftsrechtliche Schwierigkeiten gegenüberstehen.

Diese „Abweichungen” vom normalen Typus einer Venture Capital-Gesellschaft lassen befürchten, daß weder das Ziel der Gewinnmaximierung erreicht wird noch der Versuch des „Technologie-Fensters” gelingt. Die österreichische Venture Capital-Gesellschaft „Horizonte” hat zwar unter dem Titel „Risiko” Kapital gesammelt, aber niemand ist das Wagnis eingegangen, eine Venture Capital-Gesellschaft zu gründen, die auch diesen Namen verdienen würde. Dabei muß man berücksichtigen, daß die jetzt getroffene Lösung noch um vieles besser ist als das ursprünglich geplante Modell. Dieses sah nämlich für das Venture Capital-Ge-schäft Budgetmittel und Staatsgarantien vor!

Da nun einmal die Institution des Venture Capital auch in Österreich etabliert wurde, wird es an allen Beteiligten (vor allem Beirat und Geschäftsführung der Venture Management-Gesellschaft) liegen, daß dieses Geld mehr im industriepolitischen Sinne des „Technologie-Fensters” investiert wird, auch wenn das die Übernahme von Risiko bedeutet, und weniger aus der Sicht eines Kreditreferenten irgendeiner Bank. Was wir brauchen, ist die Finanzierung von konkreten Entwicklungen und weniger eine regionale, politische und/oder wahltaktische Aspekte berücksichtigende und noch dazu sozialpartnerschaftlich abgestimmte Vergabe der Mittel, wie dies bei den Förderungen in Österreich (leider) üblich ist.

Der Autor ist Vorstandsdirektor der österreichischen Industrieverwaltungsagentur (OIAG).

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