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Klosterneuburg als Vision

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Nicht nur an den österreichischen Verhältnissen gemessen gehört Johannes Wanke zu den hervorragenden Holzschneidern der Gegenwart. Der Holzschnitt spielt in seinem künstlerischen Schaffen die zentrale, die beherrschende Rolle, besonders bei landschaftlichen Darstellungen. Zyklische Folgen sind Wankes erklärte Spezialität. Sie bieten ihm Gelegenheit, ein Thema gehörig zu fächern, entsprechend herzustellen, wie und womit eine Gegend, eine bestimmte Stadt in Erscheinung tritt.

Mit den Holzschnitten über die Wachau und das Burgenland hat es vor zehn Jahren begonnen. Auf gleiche Weise wurden seither Wien-Ansichten, Eindrücke aus dem Raabtal, aus der Ukraine und aus dem Steirischen zusammengefaßt. Ebenso wurden Venedig und Paris, aber auch Graz und Leoben zum Anlaß genommen.

In landschaftlichen Darstellungen spiegelt Wanke auch die Musik von ihm verehrter Komponisten: Bruckner, Schubert, Beethoven mit den Gegenden ihrer Biographie erläutert, musikalisches Wesen wird in so und so vielen Ansichten und Absätzen vorgebracht, Landschaft musikalisch inspiriert und überwölbt. Wanke bekennt, in diesen Holzschnittzyklen sein bisher Bestes gegeben zu haben; zum Beispiel hat er in den unüblich großformatigen Blättern seiner Beethoven-Folge alle die erstaunlichen Möglichkeiten seiner Arbeit eingesetzt.

Der Holzschnitt war nicht von ungefähr die bevorzugte Technik der expressionistischen Grafiker. „In jedem Holzschnitt ist etwas von einem zerstörten Baum, Trost, Trauer, Auflehnung. In einem echten Holzschnitt ächzt es“, so hat sich Alfred Schmeller über Wankes Holzschnitte geäußert. Sie haben nichts Klobiges, ungut Simplifiziertes an sich, sondern verfügen über ein ungewöhnlich reiches Register gestalterischer Sensibilität und darstellerischer Nuancen. Einerseits nützt Wanke die scharfen (schwarzweißen) Kontraste, das Resolute des Holzschnitts, zum anderen lockert er das Festgefügte, Schwerschwarze, indem er in die Platten kratzt und schabt, das Holz beklebt und derart das Druckbüd belebende Unebenheiten stiftet. Wankes Landschafts-Holzschnitte haben etwas geradezu Atmosphärisches an

sich, ähneln in ihrem Aussehen lithographischen Steindrucken. Sie sind von ganz besonderen Spannungen erfüllt die das Phänomen Holzschnitt beträchtlich erweitern.

Gewiß ist es eine dynamische, bewegte Bildwelt das Dunkle von Lichtern gefleckt, mit Kratzspuren gemasert, der Himmel voll von Wolkenzeichen. Sonne, Berg, Baum, Wasserlauf, ins Holz gepreßt: Dort braust und drängelt es durcheinander, wuchtet und musiziert auf seine Weise (wie der beinahe zum Berufsmusiker gewordene Wanke gern musiziert hätte). Natürlich spielt gerade bei den Stadtbildern das Topographische seine Rolle, die betreffenden örtlichen Umstände und ihr abbildhaftes Ansinnen, ein Brückenbogen, ein Hügelweg, Kirchtürme und Häuserflecken, nach der Natur konterfeit. Bedeutungsvoller aber ist dabei der gestalterische Zusammenhang, das Insgesamte, das, was diese Holzschnitte bewirken wollen, was Wanke das Holzschnittabenteuer (des Entwerfens, Machens und Druckens) immer wieder dafürsteht: graphische Massierungen, die jeden Materialismus ebenso ausschließen, wie sie sich einer dekorativen Anmutung widersetzen, Überraschungen aller Art, Freude am Spontanen und Impetuoso. Bildnerisches Gebrodel, gestalterisch gebändigt, Monumentalität im Mappenformat.

Wankes Holzschnitt-Inventare städtischer Bereiche sind durch ein selbstbewußtes Künstlertemperament gesehen und gedeutet Aus Teilen und Stücken entsteht das Abbild einer Gegend, ihr „Drum & Dran“, aber auch die Vorstellung eines Wesens, das in den Teilen (und wo denn sonst?) enthalten ist. Ein Kloster-neuburger Kunstfreund hat Wankes neue Klosterneuburger Holzschnitte angeregt. Für sie gut, was Karl Kraus über sein von Kokoschka entworfenes Porträt gemeint hat: Daß wahrscheinlich die ihn nicht wiedererkennen würden, die ihn kennen, aber gewiß diejenigen ihn erkennen werden, die ihn nicht kennen. Ganz iri diesem Sinn ist vielleicht auch für manchen „gestandenen“ Klosterneuburger an Hand von Wankes Holzschnitten eine neue Entdeckung der Stadt möglich, die er „wie die eigene Tasche“ zu kennen glaubt

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