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Leben unter dem Terror

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Intellektuelle, die in der Tschechoslowakei jenseits der Parteigebote zu denken wagen, werden bekanntlich in untergeordneten Berufen, auch als Straßenarbeiter, eingesetzt. So war der im deutschen Sprachbereich viel gespielte tschechische Dramatiker Vaclav Havel zuletzt Brauereiarbeiter. In seinen beiden Einaktern, die im Akademietheater uraufgeführt wurden, dachte er wohl an sich, denn in jedem kommt ein Intellektueller vor, der seinen Lebensunterhalt als Brauereiarbeiter verdient.

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Intellektuelle, die in der Tschechoslowakei jenseits der Parteigebote zu denken wagen, werden bekanntlich in untergeordneten Berufen, auch als Straßenarbeiter, eingesetzt. So war der im deutschen Sprachbereich viel gespielte tschechische Dramatiker Vaclav Havel zuletzt Brauereiarbeiter. In seinen beiden Einaktern, die im Akademietheater uraufgeführt wurden, dachte er wohl an sich, denn in jedem kommt ein Intellektueller vor, der seinen Lebensunterhalt als Brauereiarbeiter verdient.

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Bezeichnend, daß in diesen Stücken der Intellektuelle — er heißt beide-male Ferdinand — nur sehr sparsam auf das antwortet, was man auf ihn einredet, und fast alles bejaht. Gewohntes Verhalten des Getretenen in einem Terrorstaat. Der Einakter „Audienz“ führt einen unentwegt biertrinkenden Braumeister vor, der diesen Ferdinand, dem er sich anbiedert, zu veranlassen sucht, ihm Belastendes über sich mitzuteilen, damit er es weitergeben kann. Aus Freundschaft für den, der danach verlangt, aber auch, weil er sich selbst nicht ganz sicher fühlt. Das erfolgt ganz amikal, plaudernd, in der Benebelung durch die Unmengen gesoffenen Biers. Die Gemeinheit wirkt ganz selbstverständlich, sozusagen harmlos. So ist das eben in solch einem Staat.

Anders der Einakter „Vernissage“. Da kommt Ferdinand zu einem befreundeten Ehepaar, das sich mit Antiquitäten neu eingerichtet hat und nun unentwegt lobt — wie gut die Frau kocht, wie sinnvoll es sei, ein Kind zu haben, wie die beiden sich auch körperlich perfekt verstehen. Das aber sind zugleich aufdringliche Ratschläge für den wortkargen Ferdinand, es ihnen gleichzutun. Dieses Ehepaar symbolisiert wohl indirekt den Druck normierender „Beglückung“ durch die Partei, anderseits wird erklärt, daß Ferdinand sich nicht mit den Kommunisten hätte zusammentun sollen. Aus ihrem Teufelskreis sei nicht leicht herauszukommen, er solle seinen eigenen Weg gehen. Doppelter Angriff auf die Partei, direkter und indirekter.

Im Anschluß an die Havel-Einakter wird die Satire „Die Polizei“ von Slawomir Mrozek gegeben, die schon vor 16 Jahren im Kleinen Theater der Josefstadt gespielt würde. Das Stück zeigt die Polizei in einem Terrorstaat nicht mehr in der Raserei ihrer Verbrechen, sondern in voller Ohnmacht. Niemand ist mehr zu verhaften, sie hat sich selbst durch ihre maßlosen Erfolge die weitere Existenzberechtigung abgewürgt. Bleibt nur noch, daß sich der beste Polizist als „Staatsfeind“ opfert und die Polizeigewaltigen sich schließlich gegenseitig verhaften. Mrozek behauptet, er habe nie etwas kritisiert. Das Stück steht dazu in vollem Widerspruch, das Ziel der Kritik kann nicht krasser erkennbar sein.

Der Filmregisseur Vojtech Jasny bietet, als Schauspielregisseur eingesetzt, eine den Stücken gerecht werdende Wiedergabe. Am stärksten beeindruckt Johannes Schauer als Braumeister, Sonja Sutter und Sebastian Fischer spielen schwungvoll das sich ständig lobende Ehepaar, Joachim Bißmeier gibt glaubhaft die beiden wortkargen Ferdinande und in „Polizei“ einen Gefangenen, der sich zum funktionierenden Staatsbürger wandelt Erich Aberle als Polizeipräsident und Alexander Trojan als General überzeugen ebenso wie Edd Stavjanik als Polizeisergeant und Bibione Zeller als dessen Frau. Karl Schneider entwarf drei schlichte und ein aufwendiges Bühnenbild.

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